Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier schon oft über das Thema Frauen in Führungspositionen gesprochen. Ich habe mich hier mehrfach positioniert und bleibe auch heute bei dieser Positionierung: Ich halte eine verbindliche gesetzliche Quote für einen Mindestanteil von Frauen in Führungspositionen, konkret in Aufsichtsräten, für unverzichtbar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christine Lambrecht [SPD]: Dann stimmen Sie doch bestimmt zu!)
Nicht zuletzt die rot-grünen Personalentscheidungen der letzten Zeit, von denen wir heute gehört haben, bestätigen: Auch ihr braucht manchmal das Argument, dass es eine gesetzliche Quote gibt, um entsprechende Erfolge Realität werden zu lassen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die positive Entwicklung, die wir haben, wäre ohne die Diskussion, die wir in den vergangenen Monaten geführt haben, nicht denkbar. In der Tat lässt sich nach zehn Jahren Selbstverpflichtung der Befund – 3 Prozent Frauen gegenüber 97 Prozent Männern in den Vorständen der DAX-Unternehmen – nicht anders erklären als damit, dass es sich hier um verfestigte Strukturen handelt, die Frauen nicht zum Zuge kommen lassen. Offenbar entscheiden die, die drin sind, darüber, wer mit rein darf, und es geht dabei bei weitem nicht nur nach Qualifikation und Potenzial, sondern auch nach Beziehungen, nach der richtigen Hochschule, dem richtigen Netzwerk und dem richtigen Chromosom: dem Y-Chromosom. Im manager magazin können wir lesen: Da geht es um die Netzwerke des alten Schlages, um die neuen Netzwerke, die jungen CEOs, die Baden-Badener Unternehmergespräche, die Kaderschmiede der künftigen Führungskräfte. Es ist ein ganz großer Fehler, wenn man sich da bewirbt – dahin wird man nur berufen. Das alles spricht für die Quote, und ich verspreche, dass ich weiter dafür arbeite, die Notwendigkeit einer Quote in den Hinterköpfen zu verankern.
Aber ich will auf zwei Punkte eingehen, die heute anders sind als sonst: Ich kann heute zum ersten Mal sagen, dass das Anliegen, zu einer verbindlichen Quote zu kommen, von der Kanzlerin, unserer Parteivorsitzenden, unterstützt wird und dass sich die Union selbst fest vorgenommen hat, diese Regelung ins Bundesgesetzblatt zu schreiben.
(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Mit welchem Koalitionspartner?)
Ich habe keinen Zweifel daran, dass es so kommt. Damit steht fest: Jeder Vorstand bzw. jeder Aufsichtsrat, der sich über die nächsten Personalien Gedanken macht, muss wissen: Die Quote kommt; bis 2020 wird eine Quote von 30 Prozent vorgeschrieben werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Und wie macht ihr das? – Elke Ferner [SPD]: Ist die Welt schön!)
Ich bin überzeugt: Ohne die Berliner Erklärung, ohne die Positionierung der Frauenverbände, ohne FidAR, ohne das Netzwerken von Rita Pawelski, ohne die ganze Diskussion – in ihrer Gesamtheit, in allen Elementen – wären wir heute nicht an diesem Punkt und könnte ich nicht davon ausgehen, dass im Bundesgesetzblatt demnächst diese Quote stehen wird.
Wir werden in einigen Jahren im Rückblick sowieso kaum noch verstehen, wo das Problem eigentlich gelegen hat. Ich sehe hier Parallelen zum Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahre. Auch das ist zuerst mit Befremden aufgenommen worden. Mittlerweile haben wir mehrfach den höheren Bedarf in unsere Planungen einkalkuliert und mussten immer mehr zulegen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Winkelmeier-Becker, jetzt hört Ihnen keiner mehr zu!)
Wenn ich mich hier umschaue, dann sehe ich, dass heute noch etwas anders ist: Die früheren Debatten haben wir immer vor weitgehend leeren Reihen geführt. Heute haben wir hier ein volles Haus, und im Anschluss findet eine namentliche Abstimmung statt.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht Ihr Verdienst! Was meinen Sie, wie voll es hier wäre, wenn Sie mutig wären!)
Dabei hat sich doch die Bedeutung der Sache objektiv nicht verändert.
Das zeigt eben: Interessant in dem Zusammenhang ist nicht die Sache selbst; das Thema ist völlig austauschbar. Bei der öffentlichen Diskussion geht es vielmehr nur noch um die Machtfrage. Wer hat gewonnen? Wer ist geschwächt? Wer muss gehen? Darüber wird in den Medien groß und breit diskutiert. Mir fällt übrigens auf, dass fast immer, wenn ein Bericht über dieses Thema erscheint, als optischer Eyecatcher Frauenbeine in hochhackigen Schuhen gezeigt werden. Das ist offenbar die Assoziation, die die Journalisten dabei haben.
Es geht hier also um eine Machtfrage, und es liegt etwas auf der Waagschale, was überhaupt nichts mehr mit dem Thema „Frauen in Führungspositionen“ zu tun hat. Das ist der Punkt, der es für uns verantwortliche Politiker an der Stelle nicht möglich macht, heute zuzustimmen.
Ich sehe die konkrete Chance, das, was wir heute machen könnten, mit meiner Fraktion in wenigen Monaten zu machen. Wenn wir das tun, dann gehen wir auch nicht das Risiko ein, dass die Regelung bald wieder aufgehoben wird, bevor sie greift.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre Redezeit, Frau Kollegin.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
Wir werden nicht erfahren, ob die Stimmen heute für eine Mehrheit gereicht hätten, aber ich bin mir sicher, dass der Weg, den wir jetzt gemeinsam gehen, in kurzer Zeit, in wenigen Monaten, zu dem Ziel führt, an dem mir wirklich gelegen ist.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mit der FDP! Sie sind doch eine Träumerin!)
Deshalb ist mein Stufenplan: die Quote im April im Präsidium und im Sommer im Regierungsprogramm, dann die Wahl gewinnen,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, dann machen wir das! Dann brauchen wir Sie nicht!)
dann einen guten Koalitionsvertrag und dann ein gutes, verbindliches Gesetz für die Frauen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird einiges auf der Strecke schiefgehen!)