Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! In der aktuellen Debatte sind für mich drei Überlegungen wichtig. Erstens. Mein Menschenbild differenziert nicht nach
sexueller Orientierung. Gleiche Würde und gleiche Anerkennung folgen daraus unmittelbar und zwingend.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleiche Würde, gleiche Rechte!)
Dass diese Selbstverständlichkeit lange in Abrede gestellt worden ist, dass es noch lange nach der Geltung des Grundgesetzes einen § 175 StGB gegeben hat, wirkt auch heute noch verletzend.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Eine offizielle, dauerhafte und vielleicht auch gesegnete Verbindung von zwei Menschen, die füreinander einstehen, hat ihren Wert, unabhängig von der Frage der sexuellen Orientierung und auch unabhängig von der Frage, ob diese Verbindung auch auf Familiengründung ausgelegt ist oder nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Deshalb habe ich mich vor drei Jahren zusammen mit zwölf anderen Kollegen in der Union für eine steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften eingesetzt. Das hat damals nicht jedem gefallen. Das hat auch nicht auf Anhieb geklappt. Aber es hat in unserer Partei eine Diskussion ausgelöst, die in der Union und darüber hinaus in der Gesellschaft einiges bewirkt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut! Weiter so!)
Zweitens. Wir haben den weiteren Abbau von Ungleichheiten gerade auf den Weg gebracht. In dem Zusammenhang werden wir natürlich auch Ihren Gesetzentwurf weiter bearbeiten und eine Sachverständigenanhörung dazu durchführen. Da wird überhaupt nicht irgendeiner Diskussion oder Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen, sondern die beiden Dinge werden zusammengefügt.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie denn Angst vor dem 1. Juli, der schon vereinbart war?)
– Weil es mit einer anderen schon bereits vereinbarten Sachverständigenanhörung kollidierte. – Wie gesagt, der andere Gesetzentwurf zum selben Thema ist auf dem Weg. Daher macht es Sinn, das zusammenzuführen. Das ist der Grund.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht aber: „Alternativen: Keine“! Wie kann der in der gleichen Anhörung behandelt werden?)
Was dann noch bleibt, ist in der Tat eine Teilfrage der Adoption, weil Lebenspartner ein Kind nicht gleichzeitig adoptieren können, sondern nur nacheinander. Darauf möchte ich kurz eingehen. Wenn der Staat für ein Kind neue Eltern sucht, dann ist es ganz normal, dass auf das Einkommen der Eltern, auf ihre Gesundheit, auf die verfügbare Zeit, die sie für das Kind haben, und auf ihr Alter – sie sollten nicht älter als 40 Jahre sein – geschaut wird. Wenn es an einem dieser Punkte nicht optimal läuft, dann wird es schon schwierig mit der Adoption. Mir leuchtet jetzt nicht ein, warum das Einkommen und das Alter der potenziellen Eltern eine Rolle spielen dürfen, aber nicht die Frage, ob ein Kind Vater und Mutter bekommt.
Ich weiß, dass Kinder auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geliebt und umsorgt werden;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
teilweise werden sie als Pflegekinder dorthin gegeben. Ein guter Vater, eine gute Mutter zu sein, hängt nicht von der sexuellen Orientierung ab.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig habe ich Lebenserfahrung als Mutter von drei Kindern und Großmutter eines Enkelkindes sowie als langjährige Familienrichterin. Für mich war immer klar, dass Vater und Mutter eine eigenständige Bedeutung haben, die sich ergänzt. Der zweite Vater ersetzt eben nicht die Mutter, und die zweite Mutter ersetzt nicht den Vater. Deshalb betreiben wir, wenn sich Eltern trennen, doch den ganzen Aufwand, damit das Kind den
Kontakt auch zu dem anderen Elternteil erhält.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht mehr die Frage! Die ist doch längst entschieden von Karlsruhe! Sie haben die Rede von vor zehn Jahren rausgeholt!)
In der letzten Wahlperiode haben wir uns um die Verbesserung der Rechte nichtehelicher Väter bemüht. Auch das war doch von dem Gedanken getragen, dass es für das Kind von Anfang an wichtig ist, Kontakt zum Vater zu haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deshalb ist für mich klar, dass das bei der Adoption eine Rolle spielen muss. Für mich ist aber auch klar, dass dieser Aspekt genau wie die anderen, Alter, Einkommen usw., im Einzelfall in der Abwägung zurücktreten kann. Klare Beispiele wären Pflegekinder oder Kinder aus der Verwandtschaft.
Jetzt haben wir die Sukzessivadoption. Sie führt, wenn auch auf Umwegen, zumindest zu praktikablen Ergebnissen. Mir ist kein anderer Fall bekannt. Ich appelliere: Vielleicht sollten wir von beiden Seiten nicht zu viel Wert auf die Frage legen, ob das im Gesetz geregelt ist oder untergesetzlich nur in der Verwaltungspraxis, wie das auch für die anderen Kriterien gilt. Drittens. Ich komme zu den Begriffen. Zunächst: Ich finde den Begriff „Homo-Ehe“ unterirdisch, diskriminierend und unwürdig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann nachvollziehen, dass es gerade nach der Vorgeschichte eine besondere emotionale Bedeutung hätte, den Begriff der Ehe auch auf Lebenspartnerschaften anzuwenden. Auf der anderen Seite hat aber nicht erst unsere Rechtsordnung den Begriff der Ehe erfunden. Er hat eine lange kulturgeschichtliche Vorgeschichte, auch eine religiöse Vorprägung. Damit wird durchgängig die offizielle Verbindung von Frau und Mann gemeint.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Salomo hatte tausend Frauen! Lange Geschichte! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in der Bibel!)
– Auch da, Herr Beck, immer Mann und Frau.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder ganz viele!)
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil aus dem Jahr 2002 zum Lebenspartnerschaftsgesetz und auch seither immer wieder von der Verschiedengeschlechtlichkeit als einem Wesensmerkmal der Ehe gesprochen und davon, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Strukturprinzipien beachten muss, die sich aus der Anknüpfung des Artikels 6 Grundgesetz an die vorgefundene Lebensform der Ehe ergeben.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das Verfassungsgericht 2008 dazu gesagt?)
Deshalb habe ich meine Zweifel, dass wir diesen Begriff der Ehe einfach hernehmen und umdefinieren können.
(Zuruf von der LINKEN: Wir definieren doch gar nichts um!)
Man muss auch sagen: Eine begriffliche Unterscheidung ist nicht mit einer Diskriminierung gleichzusetzen. Das darf man nicht verwechseln. Bei der Einführung der Lebenspartnerschaft war diese Unterscheidung klar gewollt. Lesen Sie doch bitte die Reden von Herta Däubler-Gmelin oder Margot von Renesse nach. Auch Sie, Herr Beck, haben damals gesprochen und waren geradezu enthusiasmiert.
Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, darf ich Sie an die Redezeit erinnern?
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist geradezu enthusiasmiert!)
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Ich komme sofort zum Ende. – Aber ich wollte doch noch das Glücksgefühl, das Sie damals ausgedrückt haben, erwähnen. Sie haben damals von den vielen Festen gesprochen, die zu feiern wären. Genauso ist es doch auch gekommen, und zwar unter Geltung dieses Gesetzes und noch darüber hinaus.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sind jetzt zwei Drittel der Menschen dafür!)
Deshalb ist mein Vorschlag: Reden wir über eine weitere Aufwertung und bessere Wertschätzung des Begriffs der Lebenspartnerschaft. Darüber sollten wir diskutieren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)