Frau Präsidentin!
Frau Ministerin!
Sehr geehrten Kollegen!
Auch wenn das Ihre Feindbilder infrage stellt und Sie sehr darunter leiden, kann ich Ihnen mitteilen: Es besteht Konsens über den bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige.
Die Ministerin hat schlicht formuliert, welche Zahl diesem Bedarf aller Wahrscheinlichkeit nach entspricht. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir bis zum Jahr 2013 insgesamt 750 000 Plätze und damit 270 000 zusätzliche Plätze brauchen. Das reicht dann für ungefähr ein Drittel der Kinder und entspricht europäischem Standard.
Ob das dem tatsächlichen Bedarf entspricht, entscheiden die Eltern aufgrund ihrer Lebensplanung und durch ihre Anmeldungen, also durch Inanspruchnahme dieses Angebots. Erst dann, wenn Plätze frei bleiben, werden die Träger keine weiteren Plätze für diese Altersgruppe mehr einrichten. Ob das bei weniger oder bei mehr als 750 000 Plätzen der Fall sein wird, können wir in Ruhe auf uns zukommen lassen. Jedenfalls ist klar, dass zunächst einmal massive Schritte in Richtung mehr Plätze erforderlich sind.
Wir von der Union stellen unsere Familienpolitik seit Jahrzehnten unter den Begriff der Wahlfreiheit. Wenn wir diese ernst nehmen – und das tun wir –, dann impliziert das auch die Anerkennung der Tatsache, dass junge Menschen ihre Wahlfreiheit heute anders ausüben als die Generation ihrer Eltern. Viele sehen nicht mehr die Alternative Beruf oder Familie, sondern stellen die Entscheidung für den Beruf an den Anfang ihrer Lebensplanung und schauen dann, ob das mit Kindern zu vereinbaren ist oder nicht.
Ich weiß aus eigener Erfahrung – ich habe vor zwölf bzw. 14 Jahren für meine damals zweijährigen Töchter Betreuung gebraucht –, wie kompliziert, teuer, schwierig und demotivierend es ist, wenn man nicht auf ein gutes Betreuungsangebot oder qualifizierte Tagesmütter zurückgreifen kann. Deshalb wage ich zu prognostizieren: Wenn wir hier nicht mehr tun, dann wird das einer der Gründe bleiben, weshalb junge Menschen sich gegen Kinder entscheiden. Das gilt vor allem für gut ausgebildete Frauen in interessanten und schnelllebigen Berufen, die sich nicht vorstellen können, eine längere Kinderpause einzulegen.
Mit dem Elterngeld fördern wir jetzt ganz bewusst, dass sich junge Mütter und Väter bis zu 14 Monate selbst um ihre Kinder kümmern können. Jetzt geht es darum, dass im Anschluss daran Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind. Es geht aber nicht darum – das war ein emotionaler Punkt in der Auseinandersetzung –, Lebensentwürfe von Familien, die sich anders entschieden haben, infrage zu stellen. Auch das gehört zur Wahlfreiheit und bedarf keiner Rechtfertigung.
Heute gibt es gute Gründe, sich anders als früher zu entscheiden: die bessere Ausbildung der Frauen, die Beibehaltung des gewohnten Lebensstandards, den man trotz Kind nicht aufgeben will, und auch die geringere Versorgungssicherheit durch den Ehepartner, die sich dadurch ergibt, dass eine durchgängige Erwerbsbiografie des Partners nicht gesichert ist oder dass es zu Trennungen kommt. Deshalb müssen wir für die Generation, die jetzt vor der Entscheidung steht, eine Familie zu gründen, bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wenn im Moment die Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige die Schlagzeilen bestimmen, dann liegt das daran, dass da der größte Handlungsbedarf besteht.
Eine Anmerkung zur Finanzierung. Grundsätzlich fällt es in die Zuständigkeit der Länder, die Betreuung auszubauen.
Die Länder trauen sich hier auch einiges zu und haben die Kinderbetreuung mittlerweile als Standortvorteil erkannt. – Baden-Württemberg ist ein Beispiel. Aber auch mein Heimatland Nordrhein-Westfalen kann man hier als gutes Beispiel anführen.
Es zeigt, dass auch die Grünen noch nicht in der Lebenswirklichkeit angekommen waren. Denn nach zehn Jahren Rot-Grün und davor nach 30 Jahren SPD-Regierung in Nordrhein-Westfalen hat die Regierung von Jürgen Rüttgers eine Betreuungsquote von 2,8 Prozent vorgefunden.
Da brauchen wir uns angesichts der Leistungen, die in CDU- und CSU-geführten Ländern schon längst erbracht worden sind, wirklich nicht zu verstecken.
Eine Aufteilung, nach der die Länder für die Betreuung und der Bund für andere Familienleistungen zuständig sind, hat den Vorteil, dass der Spielraum aufseiten des Bundes nicht allein für die Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten genutzt wird. Dies ist wichtig, da noch andere Leistungen benötigt werden, die nur der Bund erbringen kann.
Ich will noch kurz darauf eingehen, dass wir im Moment sämtliche Familienleistungen auf den Prüfstand stellen.
Da geistert im Moment die unglaublich hohe Zahl von 184 Milliarden Euro durch die Medien. Wenn man sich diese Zahl genauer anschaut, dann erkennt man, dass sie große Brocken enthält, die mit Familienförderung nichts zu tun haben.
Ich nenne ein Beispiel. Ich will zwar die Witwenrente, die 34 Milliarden Euro ausmacht, nicht infrage stellen, aber man muss sich schon fragen, was das mit der Förderung von jungen Familien zu tun hat. Eine junge Familie, die ansonsten keine sozialen Leistungen erhält, bekommt nur Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag zugestanden. Das deckt bei weitem nicht die Kosten eines Kindes. Deshalb lehnen wir es ab, an diesen Beträgen zu rütteln, auch wenn mit den eingesparten Mitteln junge Familien an anderer Stelle unterstützt werden sollen.
Ich denke, wir sollten als Familienpolitiker mutiger sein und die von uns in der Familienpolitik erbrachten Vorleistungen mit der Forderung verbinden, dass Geld aus dem allgemeinen Steuertopf für Familienleistungen aufgewandt wird. Ich denke, dass wir da in konstruktiver Weise noch einiges auf den Weg bringen werden.