Konflikte bewältigen statt verschärfen

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
 
Kinder und Jugendliche und ihre Familien haben Anspruch auf vielfältige Unterstützung durch die Gesell­schaft. Häufig geht es dabei um Geld, Bildung und Infra­struktur. Aber auch dann, wenn wegen privater Ver-änderungen in einer Familie – damit gehen ja Emotionen einher – Entscheidungen getroffen werden müssen, die das Leben umgestalten, müssen wir den Kindern und Ju­gendlichen beistehen. Wenn die Eltern es in einer sol­chen Situation nicht schaffen, die notwendigen Entschei­dungen zu treffen, weil ihr Beziehungskonflikt ihnen den Blick für das verstellt, was für die Kinder gut ist, brauchen wir ein Verfahren, das genau das leistet, ein Verfahren, das in diesem Konflikt vor allem nicht selbst zur Belastung wird, etwa dadurch, dass es unnötig lange dauert oder wechselseitige Schriftsätze hervorruft, in de­nen Beleidigungen und Vorwürfe schon aktenkundig festgeschrieben werden, noch bevor man sich überhaupt in einer Verhandlung gegenübersitzt.
 
Wir brauchen also ein Verfahren, das eher dazu bei­trägt, den Konflikt zu bewältigen, anstatt ihn zu ver­schärfen. Das vorliegende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwil­ligen Gerichtsbarkeit setzt hier einige wichtige und gute Akzente. Drei Punkte erscheinen mir als Familienpoliti­kerin, als die ich hier heute sprechen darf, besonders wichtig, vor allem da, wo es um Kindschaftssachen, Umgangs- und Sorgerechtsangelegenheiten, geht.
 
Erstens. In dem Gesetz werden Elemente des Coche­mer Modells aufgegriffen. Wir setzen verstärkt auf zü­gige und einvernehmliche Lösungen. Eltern sollen es durch die Verfahrensführung des Gerichts schaffen, ih­ren Beziehungskonflikt zurückzustellen und sich darum zu kümmern, was in der neuen Situation das Beste für das Kind ist. Es gilt, gemeinsam eine Regelung zum Le­bensmittelpunkt und zum Umgang zu finden.
 
(Beifall bei der CDU/CSU)
 
Eine solche Regelung ist dann, wenn die Eltern sie treffen, häufig näher an den Bedürfnissen des Kindes. Niemand kennt diese Bedürfnisse nämlich besser als die Eltern. Eine solche Lösung hat auch bessere Chancen, umgesetzt zu werden, weil sich die Eltern verpflichtet fühlen und ihnen nichts oktroyiert worden ist. Deshalb bekommen die Mediation und die außergerichtliche Be­ratung einen höheren Stellenwert.
 
In den meisten Kindschaftssachen kann man davon ausgehen, dass die schnelle Anordnung des Umgangs mit beiden Elternteilen für das Kind gut ist. Es darf nicht passieren, dass nur wegen des Terminkalenders des Ge­richts ein Kontakt abreißt, der sonst auch nach einer Trennung beibehalten worden wäre. Deshalb muss der erste Verhandlungstermin künftig innerhalb eines Mo­nats anberaumt werden. In diesem Termin muss zumin­dest eine vorläufige Regelung angedacht werden, wenn es nicht sogar gelingt, den Streit komplett beizulegen. Dafür muss zur Not auch ein Termin in einer anderen Sa­che, in der es ums Geld geht, zurückstehen; diese Priori­tät müssen wir setzen.
 
Das Gesetz ist flexibel genug – dazu haben die Nach­besserungen im Anschluss an die Anhörungen in der Kin­derkommission und im Rechtsausschuss beigetragen –, sodass bei Bedarf auch anders vorgegangen werden kann. Wo eine Einigung der Eltern nicht möglich ist, kann auch eine streitige Entscheidung getroffen werden. Wo der Umgang aus der Sache heraus nicht angezeigt ist, braucht er vorläufig auch nicht angeordnet zu wer­den. Wo gemeinsame Verhandlungen wegen des Streits, wegen der spezifischen Vorgeschichte nicht möglich sind – zum Beispiel bei Gewalt in der Vorgeschichte –, kann davon auch Abstand genommen werden. Das Ge­richt ist also flexibel genug und braucht nicht schema­tisch vorzugehen.
 
Zweitens möchte ich auf das Institut der Verfahrens­pflegschaft und die Änderungen dort eingehen. Das In­stitut der Verfahrenspflegschaft soll in Zukunft öfter ge­nutzt werden. Bei erheblichen Interessenkonflikten muss Verfahrenspflegschaft angeordnet werden. Vor allem in Umgangsstreitigkeiten wird das in einer deutlich höhe­ren Fallzahl als bisher geschehen. Es hat seine Berechti­gung; denn das Kindeswohl steht im Mittelpunkt jedes Kindschaftsverfahrens. Es muss also ein geeignetes Ver­fahren gefunden werden, wie man das subjektive und wohlverstandene Interesse des Kindes einbringen kann. Das kann das Kind häufig nicht selbst, weil es sich in einem ganz schwerwiegenden Loyalitätskonflikt gegen­über den Eltern, die sich streiten, befindet. Es hat Angst, wenn ein Elternteil weggegangen ist, dass es dann auch noch die Liebe des anderen verliert, bei dem es lebt. Hier ist es Aufgabe des Verfahrensbeistandes, wie er in Zu­kunft genannt wird, die Sichtweise des Kindes einzu­bringen und ihm auch zu erklären, was da passiert, was das Gericht macht und welche Bedeutung das für sein Leben hat.
 
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um allen Ver­fahrenspflegern für ihren engagierten Einsatz für die Kinder in diesen Situationen zu danken.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der SPD und der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
 
Ich habe in meiner Zeit als Familienrichterin die Arbeit der Verfahrenspfleger häufig als sehr konstruktiv und zielführend erlebt und habe auch Rechnungen gesehen, deren Beträge höher lagen als die jetzt vorgesehenen Pauschalen. In einigen Fällen habe ich diese Beträge durchaus für berechtigt gehalten. Von daher habe ich eine gewisse Skepsis gegenüber der Pauschalierung. Ich muss natürlich zugeben, dass die Deckelung der Beträge der Preis für die Ausweitung der Fallzahlen war. Nur so konnte verhindert werden, dass der Kostenrahmen ins­gesamt gesprengt wird. Immerhin muss man auch aner­kennen – das wurde eben schon gesagt –, dass sich die pauschalierten Beträge grob an der Vergütung der Rechtsanwälte orientieren. Ich denke, die Praxis wird zeigen, ob man für diese Beträge in Zukunft eine Leis­tung bekommt, die in der Sache weiterhilft. Ansonsten muss man darüber noch einmal nachdenken und kreative Lösungen suchen. In diesem Zusammenhang sollte man auch die persönlichen Zugangsvoraussetzungen, also die Qualifikationsstandards, definieren. Ausgehend von die­sen kann dann auch begründet werden, auf welchem Niveau die Vergütung angesiedelt sein sollte.
 
Dritter und letzter Punkt. Wichtig ist, dass die getrof­fenen Entscheidungen effektiv umgesetzt werden. Bei Umgangsstreitigkeiten, also wenn es zum Beispiel im­mer wieder zu Konflikten bei der Übergabe des Kindes kommt, kann die Einführung eines Umgangspflegers hilfreich sein.
 
Außerdem – auch das wurde schon angesprochen – stellen wir von Zwangsmitteln auf Ordnungsmittel um. Damit ist eine bessere Durchsetzbarkeit gewährleistet, da diese auch noch nachträglich vollstreckt werden kön­nen. Die Sorge, dass dann objektiv falsche Entscheidun­gen durchgesetzt würden, ist nicht stichhaltig. Natürlich kann sich jeder Beispielsfälle vorstellen, in denen ein objektiv falscher Umgang durchgesetzt werden könnte.
 
Aber herauszufinden, was im Einzelfall für ein Kind mit seiner individuellen Vorgeschichte in einer Situation richtig ist, in der sich die Eltern uneins sind, kann nur Sache des Gerichts sein. Es muss in einem ordentlichen Verfahren alle Argumente der Beteiligten zur Kenntnis nehmen, diese in seine Überlegung einbeziehen und dann die Entscheidung treffen. Wenn eine Regelung fest­gelegt wurde, muss diese auch gelten. Es dürfen dann nicht wieder die Argumente aus dem Erkenntnisverfah­ren bei der Vollstreckung diskutiert werden.
 
Mir ist wichtig, zu betonen, dass auch Ordnungshaft möglich ist. Sie wird natürlich nur unter strengster An­wendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit einge­setzt werden. Aber es ist wichtig, diese Option zu haben, damit sich Menschen, die wissen, dass bei ihnen kein Ordnungsgeld vollstreckt werden kann, nicht einfach stur stellen können. Das haben sicherlich auch andere in der Praxis erlebt. Ich könnte da jedenfalls entsprechende Fälle nennen. Deshalb ist es für mich wichtig, dass auch hier die Drohung mit einer Sanktion möglich ist.
 
Meine Damen und Herren, wie gut diese Regelungen sind, wird letztendlich die Praxis zeigen. Das hängt auch davon ab, wie die Beteiligten und die Verantwortlichen mit den neuen Regeln umgehen. Ich möchte deshalb mit einem Appell an die Familienrichter und die Beteiligten schließen: Stellen Sie das Interesse des Kindes in den Mittelpunkt! Bemühen Sie sich, dass die gute Lösung das Ziel des Verfahrens ist! – Das Interesse des Kindes ist fast immer auf die Kontinuität seiner Beziehung zu beiden Elternteilen gerichtet. Hier darf eine schnelle und konstruktive Lösung nicht an der Terminlage des Ge­richts oder der Sachverständigen bzw. am Streit der Eltern scheitern.
 
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
 

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