Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung sind massive Menschenrechtsverletzungen

Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
 
Wir haben uns die Situation der Frauen in Deutschland heute unter sehr vielen verschiedenen Aspekten vor Augen geführt. In den Anträgen wird dazu einiges ausgeführt. Ich bin Philipp Mißfelder sehr dankbar dafür, dass er den internationalen Aspekt und den Zusammenhang zwischen Emanzipation und Frieden schaffenden Maßnahmen bzw. gesellschaftlichen Verhältnissen plastisch dargestellt hat. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Zusammenhang. Das musste hier gerade aus Anlass des Internationalen Frauentages einmal gesagt werden.
 
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
 
   Nun ist Philipp nicht der Erste, der diesen Gedanken formuliert hat. Dazu gibt es auch eine Resolution der Vereinten Nationen, die Resolution 1325. In ihr wird ein besserer Schutz von Frauen gefordert, gerade in kriegerischen Auseinandersetzungen bzw. in Zeiten politischer Umstürze, in denen Gewalt gegen Frauen ganz bewusst als strategisches Mittel eingesetzt wird. Das müssen wir ächten. In dieser Resolution wird dazu aufgefordert, die Täter konsequent zur Verantwortung zu ziehen. In ihr wird aber auch aufgezeigt, dass Frauen einen unverzichtbaren konstruktiven Anteil leisten können und müssen, wenn es darum geht, eine bessere zivile Gesellschaft aufzubauen. Das ist genau das, was Ziel unseres Einsatzes ist.
 
Diese Resolution wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Allein das ist Anlass genug, an diese Resolution zu erinnern. Ein noch besserer Anlass aber ist ihre Aktualität. Wir sind dabei, das Afghanistan-Konzept neu auszurichten. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, diese Resolution in unser Afghanistan-Konzept einzubringen und ihre Forderungen dort ganz konkret umzusetzen.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
 
   Wir sind aber auch aufgerufen, zu überlegen, was die Situation von Frauen und Mädchen in unserem Land konkret verbessern kann. Wir müssen die Mädchen hier noch besser vor Gewalt schützen. Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung sind ganz wichtige Themen. Beides sind massive Menschenrechtsverletzungen. Wir müssen klarmachen, dass wir das nicht tolerieren.
 
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
 
Das ist kriminelles Unrecht; das lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf andere Traditionen rechtfertigen. Das muss strafrechtlich und auch ausländerrechtlich geahndet werden. Wir haben den besseren Schutz vor Zwangverheiratung und vor allem einen besseren Opferschutz im Koalitionsvertrag vorgesehen. Für beides, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung, liegen bereits Gesetzentwürfe vor, die den Bundesrat passiert haben. Sie werden demnächst bei uns auf der Agenda stehen. Wir werden uns sehr genau ansehen, ob wir da Verbesserungen erzielen können.
 
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
 
   Nicht zuletzt - auch das möchte ich erwähnen - sieht der Koalitionsvertrag eine Verbesserung der Situation für die Opfer von Menschenhandel vor; dies betrifft in der Mehrzahl Frauen. Es ist an der Zeit, dass das Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels endlich auch bei uns ratifiziert wird.
 
(Beifall der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD))
 
Wir hoffen, dass das Vertragsgesetz in Kürze vorgelegt wird.
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
 
   Wir haben in Deutschland auch die im wahrsten Sinne des Wortes hausgemachte Gewalt. 37 Prozent der Frauen haben in einer Studie des Frauenministeriums angegeben, dass sie selbst schon mit körperlicher Gewalt konfrontiert gewesen sind. Dies ging durch alle soziologischen Gruppen und Schichten, ob bildungsnah oder bildungsfern. Für diese Frauen gibt es durchaus ein differenziertes Hilfsangebot. Wir haben bereits über die Frauenhäuser gesprochen. Dazu gibt es das Gewaltschutzgesetz, auf dessen Grundlage die Polizei und die Gerichte helfen. Es gibt die Sozialgesetze und das private Unterhaltsrecht. Aber diese Hilfen wirken nur, wenn man sie kennt, verfügbar und erreichbar hat. In Bedrohungssituationen kann man nicht lange nach der richtigen Adresse suchen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir eine einheitliche Notrufnummer einrichten. Das würde Frauen in akuten Notsituationen helfen, in denen sie nicht lange herumtelefonieren oder suchen können, sondern ein konkretes Angebot vorhanden sein muss.
 
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD))
 
   Wir begrüßen es außerdem, dass die spanische Ratspräsidentschaft das Thema häusliche Gewalt auf die Agenda gesetzt hat. Wir werden an einer europäischen Schutzanordnung arbeiten, und wir werden dies zum Anlass nehmen, bei uns in der Praxis noch einmal ganz konkret zu fragen, ob alle Rechte für die Behörden und die Eingreifmöglichkeiten vorhanden sind, um bei drohender Gefahr das zu tun, was nötig ist, um Opfern auch im häuslichen Bereich zu helfen.
 
(Sibylle Laurischk (FDP): Und der Frauenhausbericht!)
 
- Und der Frauenhausbericht; auf den warten auch wir mit Spannung.
 
   Ich möchte noch einmal auf die ungenutzten Möglichkeiten und Potenziale zurückkommen. Mir geht es dabei zum einen um die Chancen für Frauen, um Gerechtigkeit für Frauen, zum anderen aber auch darum, ob die Wirtschaft alle Potenziale nutzt oder Potenziale ungenutzt liegen lässt. Wir sehen die Unterschiede bei den Entgelten, die ungleiche Beteiligung in Bezug auf einflussreiche Positionen in der Wirtschaft und die schlecht abgesicherten Mini- und Midijobs. Die Analyse teilen wir; die objektiven Zahlen sind vorhanden. In der Bewertung gibt es Parallelen, aber auch Unterschiede. Ich bin mir sicher, dass wir deutlich mehr Frauen im Management unserer Unternehmen, gerade auch in den Vorständen und Aufsichtsräten, brauchen,
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
 
um gerechte Chancen für Frauen zu sichern, aber auch als Chance für die Wirtschaft. Denn internationale Studien zeigen, dass Unternehmen, die mehr Frauen in den Aufsichtsräten haben, besser wirtschaften; sie kommen besser durch diese Krise. Diese Chance wollen wir allen Unternehmen gönnen.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
 
   Der fast völlige Ausschluss von Frauen auf dieser Ebene betrifft doch gerade die Unternehmen, deren kollektive Fehlentscheidungen die Finanz- und Wirtschaftskrise maßgeblich mit ausgelöst haben. Da sollte man einmal die Frage nach Ursache und Wirkung stellen. Ich denke, dass die jetzt nötigen Umstrukturierungen eine gute Gelegenheit bieten, mehr Frauen in diese Positionen zu bringen.
 
   Die freiwillige Vereinbarung aus dem Jahr 2001 hat in der Tat nichts gebracht.
 
(Beifall der Abg. Dorothee Bär (CDU/CSU))
 
Beispiele aus dem zivilisierten europäischen Ausland zeigen, dass es auch im abendländischen Kulturkreis möglich ist, über andere Wege nachzudenken, und dass Quoten nicht den Untergang des Abendlandes bedeuten.
 
(Christel Humme (SPD): Das ist aber schön! - Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erzählen Sie das mal Ihrer eigenen Fraktion!)
 
   Wir haben in unserem Koalitionsvertrag eine erste Stufe beschrieben.
 
(Christel Humme (SPD): Was ist denn das für eine erste Stufe?)
 
Es muss klar sein, dass dieser ersten Stufe weitere Stufen folgen werden. Bei uns steht die Quote nicht im Mittelpunkt. Aber es ist ganz klar, dass wir hier zu verbindlichen Zielvorgaben und zu verbindlichen Maßnahmen kommen müssen. Es dürfen nicht wieder neun Jahre vergehen, bevor wir die nächste Bilanz ziehen und uns anschauen, ob unsere Maßnahmen etwas gebracht haben.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
 
   Differenziert sehen wir die Teilzeitarbeit. Sie entspricht in der Tat dem Wunsch vieler Frauen und auch mancher Männer, die sie in Anspruch nehmen. Diese Wahlfreiheit erkennen wir ausdrücklich an. Wir sind nicht erst zufrieden, wenn alle Eltern, auch die kleiner Kinder, sofort wieder Vollzeit arbeiten.
 
(Katharina Landgraf (CDU/CSU): Das wäre DDR!)
 
Wir wollen nicht, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man sich entscheidet, einen wesentlichen Teil des Tages der Familie zu widmen.
 
(Beifall bei der CDU/CSU)
 
Das kann verschiedene Gründe haben. Es kann pädagogische Gründe haben, es kann um Zeit für Pflege gehen, es kann aber auch schlichtweg um ein Stück Lebensqualität gehen, für das man die Nachteile, die damit verbunden sind, bewusst in Kauf nimmt.
 
   Wir müssen zweierlei tun: Erstens müssen wir darauf achten, dass diese Entscheidung wirklich freiwillig getroffen wird. Da, wo es um strukturelle Nachteile geht, die keine andere Wahl lassen, ist die Wahlfreiheit nicht gewährleistet. Wir sind sicherlich alle der Meinung, dass hier die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen. Zweitens müssen wir die unberechtigten Nachteile, die sich aus Teilzeitarbeit ergeben, abbauen. Teilzeitarbeit darf keinen Knick in der Karriere bedeuten. Man muss auch dann noch Karrierechancen haben, wenn man sich nach einer Phase der Teilzeitarbeit wieder voll in den Beruf stürzen will.
 
   Kritisch sehen wir allerdings die Zahl von Frauen in Mini- und Midijobs.
 
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
 
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
Ich komme sehr bald zum Schluss. –
 
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
 
Sie können eine Brückenfunktion haben; dann haben sie ihre Berechtigung. Wenn wir aber ernsthaft über eine Ausweitung und Dynamisierung von Minijobs diskutieren wollen, müssen wir zum Prüfkriterium machen, ob sie für Frauen wirklich eine Brückenfunktion haben oder ob sie nicht doch eine Sackgasse sind.
 
(Christel Humme (SPD): Dann setzen Sie sich gegenüber Ihrem Koalitionspartner doch mal durch!)
 
   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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