Rede zur Insolvenzrechtsreform

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine lieben Kollegen!

Wenn aus der Opposition die Aufforderung kommt, wir sollten den Koalitionsvertrag schnell und zügig umsetzen, dann freuen wir uns natürlich zunächst einmal über das Lob, das darin steckt. In der Tat steht im Koalitionsvertrag, dass wir uns des wichtigen Themas annehmen werden, die Chancen für die Sanierung strukturell gesunder Unternehmen oder Unternehmensteile zu verbessern.

Ich bedanke mich für dieses Lob, indem ich meine Rede mit guten Nachrichten beginne. Wir sind ziemlich weit mit unserer Arbeit vorangekommen. Wir arbeiten in der Koalition sehr gut zusammen und werden einen Gesetzentwurf in Kürze vorlegen. Man sieht, dass wir in der Tat auf einem guten Weg sind.
Bei unserer Arbeit ist uns der Blick auf die Praxis sehr wichtig. Denn es geht nicht darum, eine komplizierte rechtliche Konstruktion einzuführen, sondern wir wollen etwas hinbekommen, das in der Praxis auch wirkt. Deshalb stehen wir in einem intensiven Dialog mit der Fachwelt, zuletzt im Rahmen eines Kolloquiums im Bundeswirtschaftsministerium.

Es ist klar: Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sanierungen besser möglich werden, dass nicht unnötig Werte zerstört werden und Arbeitsplätze verloren gehen. Wenn man genau hinschaut – die Beachtung dieses Punktes ist damals bei der Insolvenzordnung ein bisschen versäumt worden –, dann geht es gar nicht so sehr um rechtliche Dinge, sondern sehr viel um Psychologie und Zeitabläufe, um Zuständigkeiten bei Gericht und um Anreize, die durch Honorarregelungen gesetzt werden. Man muss sich sehr genau anschauen, wo es Fehlanreize gibt, und man muss verhindern, dass die handelnden Personen sich leichtfertig für Insolvenzpläne entscheiden.

Wir werden dazu in Kürze ein gut durchdachtes und zielführendes Paket vorlegen. Ich erlaube mir, einige Punkte daraus zu verraten, weil die Neugier anscheinend ziemlich groß ist. Schwerpunkte werden sein: die Ergänzungen im Insolvenzplanverfahren und die Stärkung der Eigenverwaltung. Etliches ist bereits in der 16. Wahlperiode diskutiert worden. Obwohl vieles auf dem Tisch lag, sind wir nicht weitergekommen. Wir konnten uns in einzelnen Punkten nicht einigen, sonst hätten wir das schon erledigt.

Aus der Analyse ergibt sich Folgendes: Nach zehn Jahren stellen wir fest, dass sich die damaligen Erwartungen an die Insolvenzordnung nicht in vorgegebenem Maße erfüllt haben. Die Annahme, dass ein Insolvenzplanverfahren immer die bessere Lösung für die Quote, also sowohl für den ungesicherten Gläubiger als auch für die Arbeitnehmer ist, hat sich bestätigt. Trotzdem müssen wir an dieser Stelle nachlegen. Die Wirtschaftskrise hat die Notwendigkeit hierfür verstärkt. Wir erwarten für dieses Jahr etwa 36 000 Insolvenzen.

Warum gelingt eine Sanierung im Planverfahren so selten? Welche Hindernisse gibt es? Das Insolvenzplanverfahren ist ziemlich komplex. Es kann nur gelingen, wenn alle ihren Beitrag dazu leisten: die Schuldner, die Gläubiger, die Insolvenzverwalter und das Gericht. Die Gläubiger müssen die Chance sehen, dass sie mit dem Insolvenzplanverfahren letztendlich eine höhere Quote erzielen als bei einer Zerschlagung. Oft nehmen sie nicht den Spatz in der Hand, weil sie die Taube auf dem Dach für realistisch halten. Von ihnen wird eventuell sogar neues Kapital erwartet, was in der Praxis häufig fehlt. Die Bereitschaft, neues Kapital einzubringen, werden Gläubiger nur dann haben, wenn sie deutlich früher Einfluss auf die Entscheidungen des Insolvenzverfahrens bekommen, wenn sie bereits zu Beginn auf die Auswahl des Verwalters einwirken können und dessen Entscheidungen nicht einfach hinnehmen müssen. Deshalb wollen wir diese Möglichkeit stärken und die Gläubiger deutlich früher in den vorläufigen Gläubigerausschuss einbeziehen, damit wesentliche Entscheidungen nicht an ihrem Sachverstand vorbei getroffen werden.

Wir wollen die Rechte der Anteilseigner in den Plan einbeziehen, sodass die Forderungen der Gläubiger durch den Debt-Equity-Swap in Eigenkapital umgewandelt werden können; denn man kann nicht von den Gläubigern erwarten, dass sie neues Geld einbringen, wenn die Anteilseigner ungeschoren davonkommen, sich aber die Erfolge der Sanierung lediglich bei denjenigen auswirken, deren Anteile vorher einen wirtschaftlichen Wert von null hatten.

Wir werden außerdem die obstruierenden Gläubiger, die vernünftige Lösungen torpedieren, in ihren Möglichkeiten beschränken. Natürlich darf niemand durch einen Insolvenzplan schlechtergestellt werden, als er es sonst wäre. Aber wer darüber hinaus noch etwas möchte und gegen den gemeinsam erarbeiteten Plan vorgeht, der muss seine Interessen künftig außerhalb des Plans verfolgen. Er darf damit nicht die ganze Sanierung in Gefahr bringen.

Die Bereitschaft der Gläubiger, ihre Forderungen erst einmal stehen zu lassen und Kapital für eine Sanierung zur Verfügung zu stellen, ist essenziell. Deshalb müssen wir in der Tat das Fiskusprivileg sehr kritisch prüfen. Das hat die Regierung in ihrem Sparpaket vorgesehen. Wir im Parlament müssen uns die Freiheit nehmen, das kritisch zu hinterfragen;
(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
denn es darf nicht dazu führen, dass das Finanzamt mit seiner gut gesicherten Forderung einer Sanierung das Wasser abgräbt und sich zunächst selbst bedient. Dann hätten wir für die Sanierung nichts mehr übrig und könnten alle Überlegungen einpacken. Das hat mit dem hochgehaltenen Grundsatz der par conditio creditorum nichts mehr zu tun. Deshalb müssen wir überlegen, was zu tun ist. Vielleicht fällt uns eine Alternative ein, die man als Gegenvorschlag bringen kann.

Für die Gläubiger ergeben sich drei wesentliche Verbesserungen: frühere und deutlich effizientere Mitwirkung, der Debt-Equity-Swap und der Schutz vor obstruierenden Gläubigern, die eine wirtschaftliche Gesamtlösung nicht mittragen wollen. Das sind die wesentlichen Schritte, über die lange diskutiert worden ist. Jetzt schreiten wir endlich zur Tat.

Der Schuldner – das ist ein Befund – ignoriert die Krisensignale oft konsequent und unternimmt untaugliche Rettungsversuche, bevor er irgendwann doch den Insolvenzantrag stellt. Doch dann ist das Kapital weg, das man für eine Sanierung gebraucht hätte. Wir wollen die Eigenverwaltung stärken und damit die Hemmschwelle für einen frühzeitigen, rechtzeitigen Insolvenzantrag senken. Ich denke, das ist wirklich innovativ; denn eine Insolvenz in Eigenverwaltung mit einem Sachwalter an der Seite hat einen ganz anderen Charakter als ein Verfahren, in dem man einen Insolvenzverwalter vor die Nase gesetzt bekommt. Bei der Eigenverwaltung bleibt man nach außen derjenige, der handelt und die Geschäfte führt.
Bisher ist es aber sehr ungewiss, ob man mit dem Antrag auf Eigenverwaltung durchkommt. Der Schuldner kann das nicht steuern. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass das Gericht in Zukunft deutlich mehr Anträge auf Eigenverwaltung positiv bescheidet. Dazu soll zum einen beitragen, dass das Gericht die Ablehnung des Antrags begründen muss. Zum anderen sollte es ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung geben, damit es in deutlich mehr Fällen – jetzt haben wir eine 1-Prozent-Marge bei der Eigenverwaltung – so gehandhabt wird.

Außerdem wollen wir eine frühzeitige Antragstellung belohnen. Derjenige Schuldner, der schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Antrag auf Eigenverwaltung und Insolvenz stellt, soll vom Gericht Hinweise erhalten, wenn es eine Eigenverwaltung nicht zulassen will, sodass der Antrag dann sogar zurückgenommen werden kann. Das ist wie ein Freischuss, den man ohne Risiko unternehmen kann, ohne die Gefahr, dass das Ganze eine Eigendynamik entwickelt. Ich denke, das ist eine ziemlich gute Idee. Das ist ein wirkliches Angebot an den Schuldner und ein Anreiz, die Sanierungsmöglichkeiten frühzeitig zu nutzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein weiterer Mosaikstein ist die Einschränkung des Vorbefassungsverbots. Wir wollen es ausdrücklich ermöglichen, dass der Schuldner mit dem Sanierer, mit dem er einen guten Plan entworfen hat, in das Insolvenzverfahren geht, wenn die Gläubiger zustimmen. Das kann sehr sinnvoll sein, weil man dann keinen Bruch hat und sich nicht auf einen neuen Insolvenzverwalter einstellen muss. Dieser Sanierer ist an Weisungen übrigens nicht gebunden.

All das bietet zusammen die Möglichkeit, dass man mit einem vorbereiteten Sanierungsplan, den Schuldner, Gläubiger und ein sachkundiger Sanierer zusammen entwickelt haben, in das Insolvenzverfahren geht und seine Möglichkeiten nutzt. Praktisch geht man mit einem Prepackaged Plan in das Insolvenzverfahren. Das ist ein echtes Angebot, mit dem wir den Bedarf nach einem vorgerichtlichen, vertraulichen Sanierungsverfahren weitgehend decken.

Das hat vor allem den Vorteil, dass das geregelte Insolvenzverfahren letztlich nicht durch erfolglose Sanierungsbemühungen verzögert und am Ende schwieriger wird. Es hat außerdem den Vorteil, dass es klar definierte Regeln gibt. Man weiß, mit welchen Mitteln man agieren kann: Anfechtung bzw. Lösung von unbequemen Verträgen und Insolvenzgeld für die Arbeitnehmer. Es gelten aber auch klare Publizitätsvorschriften. Ich denke, das ist der bessere Weg und sinnvoller, als dem Stigma der Insolvenz mit Vertraulichkeit zu begegnen. Lieber wollen wir einen offenen Umgang mit der Insolvenz, sodass der Markt weiß, woran er ist. Wir wollen die Krise nicht geheim halten und die anderen ins offene Messer laufen lassen, sondern sagen: Wir sind in der Insolvenz, versuchen aber die Sanierung und haben gute Chancen. Dann weiß jeder, woran er ist. Das ist aus unserer Sicht der bessere Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ganz kurz kann und möchte ich auf weitere Punkte eingehen: Die Professionalisierung der Gerichte steht auf der Agenda. Das betrifft zum einen die Zentralisierung der Gerichtsstände, aber auch die funktionale Zuständigkeit von Richtern und Rechtspflegern. Wenn wir im Insolvenzplan den Debt-Equity-Swap etablieren, dann ist das ein Eingriff in die Eigentumsrechte. Das setzt die Entscheidung des Richters voraus. Deshalb müssen wir diesbezüglich zu Änderungen kommen.

Die Verwalterauswahl ist sicherlich auch ein wichtiges Thema. Hier ist vieles aber schon ausgeräumt, wenn die Gläubiger einen besseren und weitergehenden Einfluss bekommen. Wir werden schauen müssen, ob im Vergütungssystem der Insolvenzverwalter Fehlanreize bestehen. Die Sonderregeln für die Konzerninsolvenz, die Insolvenzfestigkeit von Lizenzen und das Verbraucherinsolvenzverfahren sind ebenfalls zu prüfen.

Es steht also eine ganz lange Liste von Punkten an. Diese Liste gehen wir in sehr konkreten Arbeiten und Besprechungen an und stehen, wie gesagt, an einigen Punkten kurz vor einem guten Ergebnis. Natürlich bieten wir allen an, konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten; denn gute Ideen sind immer gefragt. In diesem Sinne: Machen wir uns an die Arbeit!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)