Rede zur Dienstleistungs-Richtlinie in der Justiz (TOP 26)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften sieht Änderungen und Anpassungen in einigen Berufsordnungen (für Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater) vor, die in der Praxis teilweise schon lange gefordert wurden. So wird die nun vorgesehene Einführung einer dreimonatigen Genehmigungsfrist für Berufszulassungen allgemein begrüßt. Dass wir hierbei für den Fall des Verstreichens der Frist auf eine Genehmigungsfiktion verzichten, trägt aus meiner Sicht den besonderen Erfordernissen an die persönlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den einzelnen Berufsfeldern Rechnungen.
Auf Betreiben der Unionsfraktion haben wir ferner in den Regierungsentwurf eine Neuregelung im Wahlverfahren der Rechtsanwaltskammern aufgenommen. Um die erheblichen Probleme der Vergangenheit, bei denen selbst nach bis zu sieben Wahlgängen oft keine komplette Besetzung der Vorstände der Rechtsanwaltskammern erreicht wurde, wird künftig nach § 88 Abs. 3 Satz 3 BRAO ab dem dritten Wahlgang die bis dahin erforderliche einfache Stimmenmehrheit ersetzt: Künftig ist dann gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält. Damit schaffen wir ein effektives Wahlrecht, dass die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltungskörperschaften gewährleisten.
Zwei Regelungen, die wir mit dem Gesetz treffen, stehen im Vordergrund: die Neuregelung zum Pfändungsschutzkonto in § 850k Abs. 8 ZPO und die Verfahrensregelung zur Zulassung von Insolvenzverwaltern aus dem EU-Ausland in einem neuen Art. 102a EGInsO.
Die teilweise vorgebrachte Kritik zu diesen beiden Regelungen war Gegenstand eines erweiterten Berichterstattergesprächs im Deutschen Bundestag in der vergangenen Woche. Dabei konnten die Sachverständigen der Bundesrechtsanwaltskammer noch einmal ihre Bedenken zur europarechtlich notwenig gewordenen Novelle der P-Konto-Regelung des § 850 k ZPO deutlich machen.
Bisher hatte allein die SCHUFA das Privileg, mit Banken Informationen darüber auszutauschen, ob ein Kunde bereits ein sogenanntes P-Konto führt und damit nicht berechtig ist, ein weiteres solches Konto zu eröffnen (sog. SCHUFA-Klausel). Die damit geschaffene zentrale Stelle hat die Missbrauchskontrolle dabei klar erleichtert. Europarechtliche und datenschutzrechtliche Vorgaben machen es nun erforderlich, dass Banken in dieser Frage auch mit allen übrigen Auskunfteien zusammenarbeiten können müssen. Da der Gesetzgeber diese Notwendigkeit bei der letzen Novelle des § 850k Abs. 8 ZPO im vergangenen Sommer nicht erkannt hat, ist mit der nun vorliegenden Neuregelung zurecht von einer „Reparaturklausel“ in Hinblick auf die Gleichbehandlung die Rede.
Ob die Einbeziehung der übrigen Auskunfteien jedoch in der Konsequenz auch zu einer Zersplitterung und damit Erschwerung des effektiven Informationsaustauschs zwischen Banken und Auskunfteien führt, wie teilweise befürchtet wird, muss abgewartet werden. Zwar sind tatsächlich praktische Schwierigkeiten denkbar, wenn eine Bank erst bei einer Vielzahl von Auskunfteien anfragen muss, um endlich sicher darüber Auskunft zu bekommen, ob ein Kunde bereits ein Pfändungsschutzkonto führt. Jedoch ist dies angesichts der dominierenden Stellung der SCHUFA auf diesem Markt nicht zu erwarten.
Auch schließen wir mit der Novelle ausdrücklich aus, dass Daten über das Bestehen eines P-Kontos zu anderen Zwecken genutzt werden, als zur Überprüfung der Richtigkeit der Versicherung des Kunden, nach welcher er eben noch kein Pfändungsschutzkonto auf seinen Namen geführt werde. Auch diese eindeutige Regelung dürfte dem Wettbewerb um die Information über das Bestehen eines P-Kontos an Schärfe nehmen und damit der befürchteten zersplitterten Informationslage zu bestehenden P-Konten entgegenwirken.
Sollten sich die Befürchtungen einzelner Sachverständiger allerdings bewahrheiten und den Banken die Missbrauchsbekämpfung dadurch erschwert werden, dass sie nicht oder nicht rechtzeitig an die erforderlichen Informationen über das Bestehen von P-Konten kommen, weil bei der Vielzahl der relevanten Auskunfteien der richtige Ansprechpartner nicht ersichtlich ist, so werden wir als Gesetzgeber nicht untätig sein können und eine entsprechende gesetzliche Änderung vornehmen müssen. Denn eines ist klar: Durch die nun erforderlich gewordenen Anpassungen darf das Hauptanliegen des § 850k Abs. 8 ZPO nicht in den Hintergrund geraten - der Schutz der Marktteilnehmer vor Missbrauch durch das Führen mehrerer Pfändungsschutzkonten darf nicht an Effektivität verlieren. Ich bin optimistisch, dass die Neuregelung diesen Praxistest bestehen wird.

Grundsätzliche Schwachstellen im nationalen Recht werden durch die Änderung des Zugangsverfahrens zum Insolvenzverwalterberuf für Personen, die Staatsangehörigkeit eines anderen EU- oder EWR-Staats besitzen, deutlich. Wir schaffen für die genannten Verwalter eine einheitliche Stelle, an die sie sich bei Interesse für eine Verwaltertätigkeit wenden können. Diese Stelle leitet ihrerseits die Unterlagen an das zuständige Insolvenzgericht weiter. Auch führen wir für dieses Verfahren eine dreimonatige Entscheidungsfrist ein.
Die Auswahl der Insolvenzverwalter durch die zuständigen Gerichte in Deutschland ist mehr als nur unzureichend geregelt. Eine differenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ändert nichts daran, dass zu Auswahllisten der Richter nicht mehr als eine Gedankenstütze, ein Hilfskonstrukt in Ermangelung klarer gesetzlicher Vorgaben sein können.
Die mit der Dienstleistungsrichtlinie EU-rechtlich vorgeschriebene einheitliche Stelle als Ansprechpartner für Verwalter aus EU- und EWR-Raum zur Aufnahme in eine solche Vorauswahlliste führt Normen in ein wirtschaftliches Betätigungsfeld ein, das in der Bundesrepublik noch weitgehend ungeregelt ist. Dennoch meine ich, dass die hier getroffen rudimentären Regelungen für Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug als vorläufig hingenommen werden können. Die Analyse, nach der den Verwaltern aus dem EU- und EWR-Ausland nun in Ansätzen ein Zulassungsvorverfahren zur Verfügung steht, an dem die deutschen Verwalter nicht partizipieren können, ist zutreffend. Von Seiten des BMJ, aber auch von Praktikern wird allerdings nicht befürchtet, dass sich dies zu einem Wettbewerbsnachteil der deutschen Verwalter auswirkt.
Dennoch wirft diese Zulassungsregelung mit begrenztem Anwendungsbereich ein Schlaglicht auf ein drängendes Anliegen dieser Wahlperiode: Wir müssen zu klareren Qualifikationsvoraussetzungen und transparenten Auswahlmechanismen kommen, die außerdem mehr Raum für Gläubigerbeteiligung lassen. Von Seiten des Bundesministeriums der Justiz ist in den Beratungen der vergangenen Wochen deutlich gemacht worden, dass wir mit der Neuregelung des Art. 102a EGInsO kein Präjudiz für eine künftige Zulassungsordnung nach nationalem Recht schaffen.
Die „einheitliche Stelle“ leitet Anfragen ausländischer Bewerber, die von Insolvenzgerichten als Insolvenzverwalter benannt werden wollen, lediglich an diese weiter. Dort entscheiden die Richter unverändert nach ihren Kriterien, ob sie dem Anliegen etwa mit Aufnahme in eine Vorauswahlliste entsprechen wollen, oder nicht. Diese Klarstellung halte ich für ganz entscheidend. Angesichts der zur Zeit in Beratung befindlichen mehrstufigen Insolvenzrechtsreform wäre es nicht hinnehmbar, gewissermaßen beiläufig unter Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben, grundlegende Richtungsentscheidungen für ein künftiges nationales Zulassungsverfahren zu treffen.

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