Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dies ist die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs; aber es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass wir uns mit dem Thema „Frauen in Führungspositionen“ hier im Plenum beschäftigen. Dieses Thema stand auch in der vergangenen Sitzungswoche auf der Tagesordnung, und ich habe selber dazu gesprochen. Daher ist es kein Geheimnis – ich brauche nicht darum herumzureden –, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass wir dazu kommen, eine verbindliche Quote für Frauen in Führungspositionen, speziell in Aufsichtsräten, zu beschließen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich habe schon in der letzten Sitzungswoche gesagt, dass wir, die Kolleginnen in der Unionsfraktion, zunächst noch für ein anderes Modell stehen. Wir haben eine Beschlusslage, für die wir kämpfen, aber eben auch noch kämpfen müssen; auch das sei zugegeben. Unsere Beschlusslage zielt darauf ab, dass nach den nächsten Aufsichtsratswahlen – in den meisten Unternehmen stehen im Jahr 2013 Aufsichtsratswahlen an – 30 Prozent der Aufsichtsratssitze von Frauen eingenommen werden. Zunächst soll dem noch auf freiwilliger Basis nachgekommen werden. Wir behalten uns aber vor, dass ab dem darauffolgenden Turnus, also ab 2018, eine Quote von 30 Prozent verbindlich vorgeschrieben ist, wenn sich bis dahin signifikant nichts geändert hat. Darüber, dass hier Änderungsbedarf besteht, herrscht Konsens.
Die Zahlen hat Frau Künast bereits genannt. Was die Anzahl der Frauen in Vorständen angeht, sind die Zahlen einstellig. Unter 10 Prozent der Mitglieder der Aufsichtsräte sind Frauen. Dem stellen wir den Befund gegenüber, dass über die Hälfte der Hochschulabsolventen Frauen sind. Ihre Ergebnisse sind im Durchschnitt häufig besser als die der Männer. Es kann also nicht das Ergebnis der Bestenauslese sein, dass weniger als 10 Prozent oder sogar nur 3 Prozent der einflussreichen und auch lukrativen Positionen in Unternehmen von Frauen besetzt werden. Es stellt sich schon die Frage, wieso wir uns das eigentlich weiter leisten können, wieso die Unternehmen sich das leisten können. Es gibt Studien, die belegen, dass Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen häufig bessere Ergebnisse erzielen. Die Forderungen, den jetzigen Zustand rasch und nachhaltig zu ändern, werden deshalb immer zahlreicher. Dieses Anliegen wird über Fraktionsgrenzen hinweg verfolgt; auch im Koalitionsvertrag ist es explizit genannt.
Wenn wir uns anschauen, wo die Gründe für den Mangel an Frauen in Führungspositionen liegen, um daraus Konsequenzen zu ziehen, dann begegnen wir zunächst einmal altbekannten Erklärungsmustern. Frauen geraten an die schon erwähnte gläserne Decke, weil sie traditionell immer noch eine andere Kombination von Familien- und Berufsaufgaben übernehmen. Das wird oft auch erwartet. Schon die Erwartungshaltung weckt eine gewisse Dynamik.
(Iris Gleicke [SPD]: Leider wahr!)
Frauen üben seltener technische Berufe aus, also Berufe, in denen es viele Führungsaufgaben gibt. So weit die Fakten.
Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dass die Überwindung all der beschriebenen Kausalitäten hilft, auf dem Weg voranzukommen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Ich denke an die Unterstützung von Frauen in MINT-Berufen und an die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ausreichend ist das aber nicht; beides darf nicht gegeneinander gesetzt werden. Es darf nicht so sein, dass wir sagen: Die benötigte Kinderbetreuung ist vorhanden, und deshalb haben Frauen demnächst die gleichen Chancen. Beispielsweise die Betreuung unter Dreijähriger – so richtig sie ist – hilft natürlich nicht denjenigen Frauen, die jetzt an der Reihe wären, in Aufsichtsräte einzuziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss aber auch das Zeitmanagement verbessert werden. Durchaus sinnvoll, richtig und wichtig ist deshalb die Initiative der Ministerin und der IHK zur Verbesserung des Zeitmanagements von Führungskräften. Zu klären ist, ob Meetings wirklich erst nach 17 Uhr beginnen sollen, ob es richtig ist, dass der engagierteste und beste Mitarbeiter noch am Abend am Schreibtisch sitzt; vielleicht hat er den Nachmittag einfach nur verschlafen.
Die aktuelle Diskussion trägt schon Früchte: Es ist letztlich so, dass sich die Vorstände Berichte vorlegen lassen und Konzepte entwickeln, wie sie Frauenförderung im eigenen Unternehmen voranbringen können. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Telekom zitiert; wir erwähnen sie immer wieder gerne. Ich wundere mich, ob eigentlich niemand anders wegen eines vorzeigbaren Projektes genannt werden möchte.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir würden hier gern auch für andere Unternehmen Werbung machen.
All diese Maßnahmen sind wichtig und sinnvoll – mit und ohne Quote. Wir müssen uns aber eben auch Gedanken darüber machen, ob wir zu einer verbindlichen Vorgabe kommen wollen. Auch hier gibt es ja zunehmend Zustimmung.
Die EU-Kommission hat gesagt, dass sie bis 2011 Geduld hat. Wenn sich bis dahin nichts geändert hat, will auch Kommissarin Reding zur Tat schreiten. Sie stellt sich einen Frauenanteil von 30 Prozent bis 2015 und 40 Prozent bis 2020 vor.
(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Auch im europäischen Vergleich sind wir mit dem Status quo bald wirklich einsam. Norwegen, Österreich, Frankreich, Belgien, die Niederlande: Das alles sind Länder, in denen Quotenregelungen verabschiedet oder auf den Weg gebracht worden sind.
Von denjenigen, die es nicht so spannend finden, etwas zu verändern, wird gerne auf Art. 3 des Grundgesetzes rekurriert. Es wird zuweilen eingewandt, dass es doch nicht angehen könne, dass, wenn im Einzelfall dann einmal ein Mann genauso gut oder besser qualifiziert ist, er nicht zum Zuge kommt, weil die Quote dem entgegensteht. Es ist eigentlich schade, dass niemand aus diesen Kreisen diese Frage gestellt hat, solange es darum ging, dass 97 Prozent der Frauen nicht zum Zuge kamen. Praktisch haben wir doch eine Männerquote.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: Haben Sie das alles Ihrer Ministerin auch schon erzählt?)
– Das habe ich auch meiner Ministerin erzählt.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und was sagt sie?)
Man darf wirklich einmal die Frage an den Anfang stellen, ob die Qualifikation bisher wirklich immer das entscheidende Kriterium war.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Die Zahlen, wonach es ein extremes Ungleichgewicht gibt, sprechen hier wirklich eine andere Sprache. 40 zu 60, 35 zu 65: Das alles wären Zahlen, die man vielleicht auch auf die unterschiedliche Berufswahl zurückführen könnte. Bei 97 zu 3 versagen diese Erklärungsmuster aber.
Wir hören aus dem Kreis der Beteiligten ja auch, dass ganz andere Dinge mitentscheidend sind, nämlich die Loyalitäten des einen gegenüber dem anderen, die Gemeinsamkeiten in der Denkart und die Netzwerke, die schon lange bestehen.
(Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!)
Das will man sich natürlich nicht durcheinanderbringen lassen.
(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ja!)
Zurück zur Frage, ob das mit Art. 3 Grundgesetz vereinbar wäre. Dort steht der Satz:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Auf europäische Ebene gibt es Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, worin ganz klar gesagt wird, dass Regeln, durch die eine bestehende Benachteiligung eines Geschlechtes kompensiert wird, damit vereinbar und zulässig sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Niemand sollte sich also darauf verlassen, dass irgendein höherwertiges Recht dem entgegensteht. Ganz im Gegenteil!
(Caren Marks [SPD]: Auch die Regierung nicht!)
Ich sagte, wie unser Konzept aussieht. Wir würden es nach wie vor lieber sehen, dass es zu einer Kooperation mit der Wirtschaft kommt und wir nicht eine aufoktroyierte Regelung gegen die Wirtschaft wählen müssen, obwohl wir uns eine solche vorbehalten wollen; denn wir nehmen natürlich zur Kenntnis, dass die freiwillige Vereinbarung aus dem Jahre 2001 tatsächlich nichts gebracht hat.
(Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!)
Hier muss ich den Ball wirklich ein Stück weit zurückspielen. Ich denke, wir sollten uns gemeinsam darum kümmern, wie wir das besser hinkriegen und den Fehler korrigieren können.
Ich glaube, ein entscheidender Webfehler in der damaligen Vereinbarung war, dass sich niemand davon angesprochen gefühlt hat. Es war keiner wirklich zuständig. Auch in den Unternehmen war niemand zuständig; niemand hat sich angesprochen gefühlt, das in die Hand zu nehmen und umzusetzen.
(Christel Humme [SPD]: Und jetzt?)
Wir wollen natürlich schnell zu Ergebnissen kommen. Wahlen finden nur alle fünf Jahre statt. Deshalb haben wir hier jetzt wirklich nicht mehr viel Zeit.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Vier Jahre!)
– Nein; denn es kommt die Zeit bis zur nächsten Hauptversammlung hinzu. Das sind dann summa summarum knapp fünf Jahre, was die Sache nicht besser macht. – Wir müssen also dafür sorgen, dass wir bis 2013 schon ein deutlich besseres Ergebnis erzielt haben.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist es!)
Wenn das Ergebnis kein messbarer Anteil von 20 bis 30 Prozent sein wird, dann müssen wir wirklich zur Quote greifen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmen Sie doch zu!)
– Ja, aber wir wollen ja die ganze Fraktion einbeziehen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann warten Sie bis 2100!)
Was kann jetzt helfen, und was machen wir jetzt als Erstes? Zunächst führen wir Berichtspflichten ein.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!)
Ich glaube, dass das nicht zu unterschätzen ist. Wir brauchen ein Ranking und damit auch einen Anreiz für das Kind im Manne, das im Unternehmen sitzt. Wir brauchen ein Ranking, aus dem sich ergibt, wer dieses Kriterium am besten erfüllt.
(Mechthild Rawert [SPD]: Kinderförderung findet woanders statt!)
Wer schafft das am besten? Frauenförderung ist ein Gradmesser für gute Unternehmensführung. Deshalb ist sie ein Maßstab dafür, wie gut man ist und wo man jetzt steht. Ich denke, das wird einen gewissen Anreiz bringen.
Ich denke, wir sollten uns bereits für 2013 einen weiteren Vorschlag überlegen. Wir sollten nicht die Gleichheit im Ergebnis vorschreiben, aber die Gleichheit im Verfahren anstreben. Wir müssen die Aufsichtsräte verpflichten, schon bei den nächsten anstehenden Aufsichtsratswahlen dafür zu sorgen, dass ein entsprechendes Angebot an qualifizierten Frauen vorgehalten wird und dass die Hauptversammlungen die Möglichkeit haben, 30 Prozent – gerne auch 40 Prozent – Frauen in den Aufsichtsrat zu wählen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn dann der Einwand kommt: „Wir finden ja keine“, dann sollen sich die Herrschaften mit FidAR, mit dem Verband deutscher Unternehmerinnen oder mit dem Deutschen Juristinnenbund in Verbindung setzen. Oder sie sollten – vielleicht wäre das noch besser – einen eigenen Bewerberinnenpool für qualifizierte Kandidatinnen aufmachen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich denke, das könnten gute Stufen eines Stufenplanes sein, mit dem wir dem gemeinsamen Ziel, Frauen in Führungspositionen zu bringen, ein Stück näher kommen.
Vielen Dank.