Wir brauchen eine verbindliche Vorgabe für die Aufsichtsräte in absehbarer Zeit

Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kolle­gen!
 
Man möchte fast sagen: Willkommen zur sitzungs­wöchentlichen Diskussion über die Frauenquote.
 
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Elke Ferner [SPD]: Bis Sie es verstanden haben, Frau Kollegin!)
 
In letzter Zeit haben wir oft darüber gesprochen. Ich be­teilige mich immer wieder gerne an dieser Diskussion; denn das ist ein wirklich wichtiges Thema. Mir ist es auch ein Anliegen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den Status quo hinter uns lassen und zu anderen Ver­hältnissen kommen müssen, weil mehr Frauen und an­dere Männer gut wären für die Unternehmen.
 
(Christel Humme [SPD]: Dafür schätze ich Sie auch, Frau Winkelmeier!)
 
Die Unternehmen müssen sich besser aufstellen und bes­sere Entscheidungen in ihren Führungsgremien treffen. Das können sie gerade dann, wenn sie sich anders auf­stellen.
 
Zum Frauenanteil gibt es mehrere Studien: die Cata­lyst-Studie, die McKinsey-Studie, die Sinus-Studie. Der Hintergrund ist nicht, dass Frauen durch die Bank besser sind, sondern es geht um den Diversity-Ansatz, das heißt, dass es zu besseren Ergebnissen führt, wenn Personen mit unterschiedlicher Denkweise, unterschied­licher Herkunft und unterschiedlichen Karrieren zusam­menkommen und nicht alle von derselben Eliteuniver­sität stammen.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD])
 
Wir brauchen vor allem eines nicht: Wir brauchen keinen Biotopschutz für bestehende Führungszirkel; denn die haben in der Vergangenheit nun wirklich nicht nur Erfolge vorzuweisen gehabt. Einige Entscheidungen von Banken, Kaufhauskonzernen und Autoherstellern waren durchaus suboptimal.
 
(Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!)
 
Ich komme darauf zurück, aber ich möchte zunächst kurz auf die Anträge eingehen, die zu diesem Thema vorgelegt worden sind.
 
Mein Heimatland Nordrhein-Westfalen hat in den Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich nur auf die Gleichberechtigung in Aufsichtsräten bezieht. In diesen soll die Frauenquote bis 2017 30 Prozent und bis 2022 40 Prozent betragen. Wenn die Wahl nicht damit im Einklang steht, soll die Wahl unwirksam sein.
 
Hier im Bundestag haben wir von der SPD ein ande­res Konzept vorgelegt bekommen: Die Frauenquote in den Aufsichtsräten soll bis 2015 40 Prozent betragen; das soll ebenso für die Vorstände gelten. Als Sanktion sehen Sie die Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse vor.
 
Die Linke will tatsächlich eine Frauenquote von min­destens 50 Prozent erreichen.
 
(Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Genau!)
 
Da ist der Punkt überschritten. Eine solche Vorschrift durch den Staat wäre wohl verfassungswidrig.
 
Mein Eindruck ist, dass hier nach dem Motto „Wer bietet mehr, wer will es schneller, und wer ist radikaler?“ vorgegangen wird. Diese Diskussion hilft der Sache nicht unbedingt weiter.
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Machen Sie doch mal einen Vorschlag! Was machen Sie denn jetzt?)
 
Ich sehe zwar nicht mit Neid, aber durchaus mit An­erkennung, dass diese Anträge in Ihren Fraktionen die Mehrheit haben, also auch von den Männern getragen werden; deren Namen stehen ja auch auf den Anträgen. Aber der kleine Wermutstropfen ist, dass solche Anträge immer aus der Sicherheit der Opposition heraus oder auf der föderalen nichtzuständigen Ebene gestellt werden.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der FDP – Elke Ferner [SPD]: Keine Sorge! – Christel Humme [SPD]: Wir wollten das schon zu Regierungszeiten der Großen Koalition!)
 
Solange Sie die Regierung gestellt haben – nach diesem Hinweis bin ich mit diesem Thema fertig –, hatten Sie diese Mehrheit nicht. Ich füge hinzu: Leider hatten Sie sie nicht.
 
Es gibt also Handlungsbedarf für den Bundesgesetz­geber. Das Hauptargument – das möchte ich noch einmal betonen – ist der wirtschaftliche Nutzen, den die Unter­nehmen hätten, wenn sie ihre Führungsgremien besser bestücken würden.
 
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!)
 
Jetzt kann man natürlich fragen, ob es nicht Sache der Unternehmen sein sollte, dafür zu sorgen.
 
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Sie haben jetzt lange ge­nug bewiesen, dass sie es nicht können!)
 
– Es wäre ja in ihrem eigenen Interesse. Aber ich stimme Ihnen zu: Wir reden hier über die großen börsennotierten Unternehmen, bei denen wir auch in anderen Zusam­menhängen nicht immer automatisch davon ausgehen, dass diese alles richtig machen. Es gibt einen strukturel­len Unterschied zu den kleinen familiengeführten Unter­nehmen, in denen der Eigentümer nachhaltig dafür sorgt, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden.
 
Bei den großen börsennotierten Unternehmen ist die Eigentümerposition sehr zerstritten. Das Management ist nicht identisch mit den Eigentümern. Wir haben schon öfter darauf hingewiesen, dass das, was zum langfristi­gen Erfolg solcher Unternehmen führt, nicht unbedingt mit dem identisch ist, was das Management kurzfristig anstrebt. Deshalb haben wir schon einiges nachgebes­sert, gerade als Reaktion auf die Wirtschaftskrise. Wir haben die Haftungsregeln verändert. Wir haben die Fris­ten verändert, die eingehalten werden müssen, wenn man vom Vorstand in den Aufsichtsrat wechseln möchte. Wir haben die entsprechenden Bundesregeln verändert.
 
Das alles sind Ansätze, die sich daraus ergeben, dass gerade bei den großen börsennotierten Unternehmen nicht alles automatisch in die richtige Richtung geht. Dort muss man nachhelfen. Das ist auch der Ansatz der Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ und natürlich der Ansatz für Überlegungen, die wir als Bundesgesetzgeber anstellen müssen. Mein Fazit an dieser Stelle ist, dass wir in der Tat Handlungsbedarf haben.
 
Nun hat die zuständige Ministerin ihren Stufenplan vorgelegt.
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Der ist aber langweilig!)
 
Er sieht Steigerungen bei Aufsichtsräten und Vorständen vor. Er ist wirklich ambitioniert.
 
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Elke Ferner [SPD]: Wenn das ambitioniert ist, o Gott, o Gott!)
 
Es wäre klasse, wenn wir es schafften, diese Ziele zu er­reichen. Die vorgesehenen Berichtspflichten sind durch­aus wirksam. Wir sehen das jetzt in der Reaktion auf den Women-on-Board-Index, den FidAR vorgelegt hat. An­gesichts der aktuellen Diskussion wissen die Unterneh­men, dass jede Entscheidung, jede Nachbesetzung be­obachtet wird und dass sie unter Druck stehen. Das ist hilfreich.
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Machen Sie lieber Ihren Männern in der Fraktion Dampf!)
 
Aber ich bleibe dabei und stehe dazu: Es muss noch etwas hinzukommen, damit das begonnene Umdenken jetzt nicht wieder endet.
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Ja!)
 
Dazu brauchen wir – zusätzlich zu dem in Ansätzen gu­ten Stufenplan – zumindest für die Aufsichtsräte in ab­sehbarer Zeit und unter Berücksichtigung der Amts­zeiten – diese dauern fünf Jahre; daher ist es wichtig, dies jetzt zu tun – eine verbindliche Vorgabe.
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
 
Ich bleibe dabei, dass wir diese Regelung schon 2013 treffen müssen,
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Genau!)
 
damit der Druck, der jetzt entstanden und spürbar ist, nicht nachlässt. Sonst hätten wir den Effekt, dass wieder Entspannung einsetzt und man denkt: Das Thema ist noch einmal an uns vorübergegangen; wir warten ein­fach ab.
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Sie haben echt Mut, Frau Winkelmeier!)
 
Nun höre ich von Männern des Öfteren die Frage, ob das nicht langsam zur Diskriminierung von Männern führe. Ich muss sagen: Das ist schon ein bisschen ver­kehrte Welt, wenn man sich die Ausgangsposition an­schaut.
 
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Herr Buschmann, hören Sie jetzt genau zu! – Gegenruf des Abg. Marco Buschmann [FDP]: Das mache ich doch immer!)
 
Angesichts eines Verhältnisses von 3 : 97 in den Vor­ständen bzw. 10 : 90 in den Aufsichtsräten muss man sich schon fragen, ob sich wirklich diejenigen, die ihren Anteil von 3 auf 25, 30 oder 40 Prozent – über die ver­schiedenen Zahlen kann man streiten – erhöhen wollen, rechtfertigen müssen oder ob nicht diejenigen, die bisher 97 oder 90 Prozent beanspruchen, unter Rechtferti­gungsdruck stehen müssten.
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
 
Ich denke, es ist klar und in vielen Gutachten belegt, dass eine entsprechende Regelung mit Verfassungs- und Europarecht konform ginge. Wir merken, dass ein Um­denken spürbar ist. Aber es darf nicht beim Wording bleiben. Wir hören von Vorständen, dass alle Botschaf­ten angekommen sind, dass man zur besseren Vereinbar­keit von Familie und Beruf bzw. Karriere beitragen will, dass die Kinderbetreuung verbessert werden soll. All das hören wir; aber greifbare Ergebnisse lassen noch auf sich warten.
 
Ich habe nur noch ganz wenig Redezeit. Ich möchte sie nutzen, um ein besonders beliebtes Argument aufzu­greifen, das gegen eine Quotenregelung ins Feld geführt wird: Es seien nicht in ausreichender Zahl Frauen mit geeigneter Qualifikation vorhanden, und sie hätten die falschen Berufe. Die Praxis zeigt: Das ist überhaupt nicht der entscheidende Punkt,
 
(Elke Ferner [SPD]: So ist das! Frau Schröder, hören Sie gut zu!)
 
jedenfalls nicht für die Besetzung von Aufsichtsräten. 62 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in den DAX-Un­ternehmen sind Juristen oder Betriebs- bzw. Volkswirte; in den Vorständen sind es 59 Prozent. Gerade das sind Ausbildungsgänge, in denen Frauen seit Jahrzehnten die gleichen Anteile haben und mindestens so gute Examina abliefern wie Männer.
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ­NEN sowie der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP])
 
Noch eines: Dass Branchenkenntnisse im engeren Sinne – bei aller Qualifikation, die diese Personen mit­bringen müssen – nicht das Entscheidende sein können,
 
(Elke Ferner [SPD]: So ist das!)
 
zeigt sich beim Blick auf einzelne Karrieren. Da kann man als Eon-Vorstand auch in den Aufsichtsrat der Deut­schen Bank, als Bayer-Chef in den Aufsichtsrat von Eon und Deutscher Bank,
 
(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Richtig! Man kann überall sein!)
 
als Eon-Chef in den Aufsichtsrat der Allianz und als Trumpf-Chef in den Aufsichtsrat von Lufthansa und Sie­mens. Das ist also nicht das entscheidende Argument. Das zeigt der Blick auf die Praxis.
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ­NEN – Karin Roth [Esslingen] [SPD]: So sind sie, die Männer! – Elke Ferner [SPD]: Ja! Männer können alles!)
 
Wir werden diese Diskussion weiterführen. Ich glaube, die Anhörung haben wir schon terminiert.
 
(Zuruf von der SPD: Nein! Aber bald!)
 
Ich freue mich auf eine gemeinsame Diskussion, mit Be­tonung auf „gemeinsam“.
 
(Zuruf von der SPD: Wir uns auch!)
 
Danke schön.
 
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab­geordneten der FDP und der LINKEN – Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Frau Winkelmeier, das war sehr mutig! Wunderbar!)

 CDU Logo mit Rand