Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für das Wort. – Nach dieser sicherlich sehr wichtigen Debatte um das Kormoranmanagement wenden wir uns nun einem vielleicht auch nicht ganz unwichtigen, einem sicherlich wichtigen gesellschaftlichen Thema zu, nämlich der Gewalt gegen Frauen, und der Frage, was wir dagegen tun können.
Das Hilfetelefon, um das es heute geht, ist ein zentrales Vorhaben der Gleichstellungspolitik in dieser Legislaturperiode. Ich bin sehr froh, dass wir mit diesem Gesetzentwurf, den die Frauenministerin vorgelegt hat, nun einen entscheidenden Schritt weitergehen, auch wenn wir noch nicht ganz auf der Ziellinie sind. Noch einiges ist in der Umsetzung und Planung zu machen.
Mit dem Hilfetelefon erfüllen wir eine internationale Verpflichtung. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt hat Deutschland im Frühjahr als eines der ersten Länder unterschrieben. Wir nehmen einen wesentlichen Punkt heraus und setzen die Konvention um.
Zugleich erfüllen wir hiermit ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Wir haben uns vorgenommen, mit der Einrichtung der bundesweiten Notrufnummer ein Hilfesystem im Bereich Gewalt gegen Frauen zu etablieren. Außerdem erstellen wir einen Bericht zur Lage der Frauenhäuser, an dem das Frauenministerium ebenfalls arbeitet.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird Zeit, dass der fertig wird!)
– Soviel ich weiß, wird er bald vorgelegt. Es wäre nicht schlecht gewesen, ihn vorher zu haben, aber er wird nachgeliefert. – Das Wichtigste ist aber nicht, dass wir irgendwelche Versprechen erfüllen und abstrakte Regelungen beschließen, sondern dass wir ein konkretes Hilfeprojekt etablieren, das Frauen in besonders gewaltbehafteten Lebenssituationen konkret hilft.
Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in Deutschland wird zumeist unterschätzt. Wenn es nicht die Studie des Frauenministeriums gäbe, würde man nicht für möglich halten, dass bereits 40 Prozent aller Frauen einmal in ihrem Leben mit Gewalt konfrontiert gewesen sind, und zwar in unterschiedlichen Formen: angefangen bei der häuslichen Gewalt bis hin zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Stalking, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung sind weitere Arten der Gewalt. 25 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen haben in einer früheren oder in ihrer aktuellen Partnerschaft Gewalt erfahren. Es ist also ein wirklich wichtiges Thema, um das wir uns heute kümmern.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Diesem Problem steht eine breite Hilfestruktur gegenüber. Es gibt 360 Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen, an die 500 Beratungsstellen und Notrufe sowie besondere Beratungsstellen für besondere Problemlagen, für Opfer von häuslicher Gewalt oder Opfer von Frauenhandel. Viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, aber auch viele Profis arbeiten in diesem Bereich. Sie engagieren sich besonders und tun nicht nur das, was sie vom Arbeitsvertrag her zu leisten hätten, also zum Beispiel 38,5 Stunden arbeiten, sondern sie setzen sich in der Regel auch darüber hinaus ein. Ich finde es in diesem Zusammenhang wichtig, den Mitarbeiterinnen in den Beratungsstellen und Frauenhäusern unseren Dank auszu-sprechen.
(Beifall im ganzen Hause)
Die schon angesprochene Studie zeigt – und das ist erschreckend –, dass in einer konkreten Notsituation nur 20 Prozent der Frauen das Hilfeangebot überhaupt wahrnehmen können. 80 Prozent, also die weitaus größte Zahl der betroffenen Frauen, findet das nötige Angebot in einer solchen Situation nicht. Das ist auch kein Wunder; denn Frauenhäuser sind in der Öffentlichkeit bewusst nicht präsent. Wenn man sich in einer Gewaltsituation befindet, hat man nicht die Zeit, das Telefonbuch zu wälzen oder sich zu erkundigen. Es geht deswegen darum, die Nummer zu kennen und zu wissen, an wen man sich wenden kann. Ziel des neuen Angebots ist es, Bedarf und Angebot auf einfache Weise besser zusammenzubringen, damit ein Weg offensteht, wenn es nötig ist. Daraus ergeben sich bestimmte Merkmale und Anforderungen, die wir an diese Helpline stellen.
Es geht um eine Lotsenfunktion. Es geht nicht darum, in Konkurrenz zu treten oder selbst ein Angebot zu unterbreiten, sondern es geht darum, zu vermitteln. Wir setzen dazu qualifizierte Kräfte ein, die aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage sind, mit den Frauen in der kon-kreten Situation zu kommunizieren, auf sie einzugehen und ihnen zu erklären, was für sie in der jeweiligen Situation am besten ist. Wir müssen für ein mehrsprachiges Angebot sorgen, um Frauen unterschiedlicher Herkunft beraten zu können. Es muss anonym, vertraulich, kostenlos und – ganz wichtig – 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung stehen, also rund um die Uhr.
Wir lassen uns das einiges kosten. Die Prognose, auch aufgrund der Erfahrung anderer Länder, ist: Wir brauchen dafür ungefähr 80 bis 90 Kräfte. Wenn das Ganze läuft, wird das jedes Jahr etwa 6 Millionen Euro kosten.
Das Angebot steht allen betroffenen Frauen zur Verfügung, aber auch dem Umfeld, zum Beispiel der Nachbarin, die Geräusche hört, der Freundin, die blaue Flecken sieht, oder dem Mitarbeiter im Jugendzentrum, der Anhaltspunkte dafür hat, dass ein junges Mädchen in den Ferien im Heimatland seiner Eltern zwangsverheiratet wird. Auch diesen Menschen hilft die Helpline, auch sie sollen sich an die Helpline wenden. Mit diesem Gesetz wird der Appell verbunden, das Hilfetelefon zu nutzen, nicht wegzuschauen, sondern zu helfen.
Ganz wichtig ist aber auch, dass das Angebot ausreicht, dass ein gesichertes Angebot vorhanden ist. Wir müssen damit rechnen, dass der Bedarf steigt, sobald Bedarf und Angebot besser zusammengebracht werden. Das müssen wir im Auge behalten. Vielleicht kann das Hilfetelefon dazu beitragen, den Bedarf transparenter zu machen. Wenn die Beraterinnen keine Angebote mehr aufzuweisen haben, an die sie die Frauen vermitteln können, dann wird die politische Diskussion darüber, ob das Angebot ausgeweitet werden muss oder ob es ausreicht, auf Basis dieser Fakten geführt werden können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Helpline ist ein wichtiges Signal. Sie wird helfen, in den Fällen den Weg aus der Gewalt zu finden, in denen er bisher nicht gesehen wird. Es ist Zeit, dass wir das schaffen. Die Ministerin hat dabei unsere volle Unterstützung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)