Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass der heutigen Aktuellen Stunde ist die Studie des Auswärtigen Amtes. Ich habe sie auch nicht bekommen. Die Zeitungen haben sie anscheinend.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Und die FDP hat sie! Das wollen wir hier einmal für das Protokoll festhalten! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Da steht nichts Aufregendes drin!)
Ich hätte sie auch gerne und würde mir wünschen, dass Sie uns sie zuleiten, damit man sie sich einmal anschauen kann.
Ich muss sagen: Ich nehme es der Fraktion der Grünen nicht richtig ab, dass es die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist, die sie hier so umtreibt.
Wo ist denn das Problem? Die Chancen der Unternehmen steigen nicht deshalb, weil wir hier eine gesetzliche Quote hätten, sondern sie steigen, wenn die Unternehmen mehr Frauen in ihre Führungspositionen bringen. Das liegt aber an dem jeweiligen Unternehmen. An dieser Stelle muss ich der Logik der FDP in der Tat recht geben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Da haben Sie auch recht! Das ist zwingend!)
Ich nehme es Ihnen auch deshalb nicht ab, weil Sie dann konsequenterweise den Wirtschaftsminister hätten zitieren müssen, aber nicht die Frauenministerin.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Frauenministerin haben wir nicht!)
Wenn es Ihnen in diesem Zusammenhang primär um die Wirtschaft ginge,
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Um -Klamauk!)
dann hätten Sie das an dieser Stelle konsequent durchziehen müssen.
Zwischenergebnis: Es geht Ihnen darum, dies zum Aufhänger zu nehmen, um über die Frauenquote zu sprechen. Das nehme ich Ihnen aber nicht übel. Also nehme ich diese Chance gerne wahr.
Wenn man die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen und Monate in den Medien verfolgt, dann fällt auf, dass gerade Entwicklungen in der Union – im wahrsten Sinne des Wortes – im Fokus stehen, und das auch zu Recht. Denn das, was real erreichbar ist, was sich an diesem Punkt wirklich ändern kann, wird maßgeblich von meiner Fraktion mitbestimmt. Vielleicht ergeben sich hier Entwicklungen, die auch zu realen Mehrheiten führen können.
Meinen Standpunkt habe ich hier schon des Öfteren dargelegt, er ist auch unverändert so. Mein Standpunkt entspricht im Wesentlichen dem, was wir in der Berliner Erklärung formuliert haben, für die ich bei dieser Gelegenheit weiter werben möchte. Ich halte es nach wie vor für richtig, einen verbindlichen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsräten mit einer angemessenen Übergangsfrist bis 2018 zu fordern.
Etliche Kolleginnen und auch einige Kollegen haben mittlerweile diese Erklärung unterschrieben. In den vergangenen Wochen und Monaten gab es immer mehr Äußerungen, die ein Umdenken zeigten. Ich denke, das ist nicht das erste Thema, bei dem es zu einem Umdenken in meiner Fraktion kommt.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr! Da haben Sie recht!)
Als Volkspartei, die zu sein wir für uns in Anspruch nehmen, steht uns das auch sehr gut an. Genau solche Prozesse brauchen wir manchmal. Da bin ich sehr stolz auf meine Partei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte die Zeit nutzen, um für diesen Prozess zu werben. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung, die dieses Thema durchaus hat, wie viele Frauen in Führungspositionen sind, möchte ich ein paar Punkte ansprechen, die vielleicht auch meine Kollegen noch überzeugen.
Der erste Aspekt betrifft die Wahlfreiheit, die uns sehr am Herzen liegt. Für mich ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Quote ganz wichtig. Denn für die Frage, ob sich jemand bereit erklärt, auf Zeit Sorgearbeit wahrzunehmen, ein oder zwei Jahre aus dem Beruf auszuscheiden, ist ganz entscheidend, ob er oder sie glaubt, dass man hinterher wieder an dieser Stelle weitermachen kann, ohne berufliche Chancen verloren zu haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Gerade in diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig, dass wir Strukturen haben, die das unterstützen und die auch zu garantierten Ergebnissen führen. Genau das würde eine gesetzliche Mindestanteilsquote mit unterstützen und fördern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dies entspricht insbesondere dem Sinne der Wahlfreiheit, dass jemand den Mut hat, zu Hause zu bleiben, ohne hinterher auf Dauer dafür bestraft zu werden, dass man Sorgearbeit übernommen hat.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mensch, bei der breiten Mehrheit müsst ihr das doch endlich machen!)
Zum zweiten Aspekt. Wir brauchen in der Tat eine verbindliche Regelung. Bleiben wir bei der Freiwilligkeit, dann bleiben die Verantwortlichen freiwillig beim Status quo. Das ist ganz klar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, die durchgängig verbindlich ist. Verbindlichkeit ist nur so stark, wie jedes Glied in der Kette verbindlich ist. Es reicht nicht, verbindliche Sanktionen an eine freiwillige Selbsteinschätzung anzuknüpfen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das macht so viel Sinn, als wenn man eine Steuerpflicht an eine Selbsteinschätzung knüpft und Sanktionen vorsieht, wenn man diese selbstgesetzte Verpflichtung nicht einhält. Dabei geht das eine Unternehmen mutig voran und schätzt sich hoch ein, verfehlt dieses Ziel dann und muss deshalb mit Sanktionen rechnen. Ein anderes Unternehmen springt nur so hoch, wie es muss, schafft das auch und wird gelobt, und das hat keine Konsequenzen. Das führt zu ungerechten Ergebnissen. Deshalb müssen alle Stufen der Regelung verbindlich sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Dritter Aspekt. Die Frauenquote ist kein Thema nur für Eliten. Es geht nicht darum, dass hier einige hochqualifizierte Frauen gegen Ende ihres beruflichen Lebens noch einmal die Chance auf eine bessere, bisher verpasste Position bekommen, sondern es geht darum, insgesamt ein Umdenken zu fördern, die Einstellung gegenüber Frauen in verantwortlichen Positionen zu verändern. Das ist ein viel umfassenderes Thema.
Wir haben insgesamt den Befund, dass Frauen vor allem dafür, dass sie Sorgearbeit übernehmen, berufliche Nachteile hinnehmen müssen. Für die einen spielt sich das beim Thema Minijob ab. Bei den anderen ist es die Schwierigkeit, wieder in den Beruf einzusteigen. Insgesamt zeigen sich diese Nachteile in geringerer Entlohnung für Frauen. Das Gender Pay Gap liegt nach wie vor bei 23 Prozent.
All das sind Facetten ein und desselben Problems, das wir umfassend auf allen Stufen angehen müssen, auch beim Thema Frauen in Führungspositionen. Lassen Sie uns darüber alle zusammen konstruktive Gespräche führen; da schließe ich mich meiner Kollegin Rita Pawelski an.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)