Wir behandeln heute in erster Lesung die Vorschläge von Bundesregierung und Bundesrat zu Verbesserungen und Bürokratieabbau im Unterhaltsvorschuss.
Der Unterhaltsvorschuss ist ein besonderes familienpolitisches Instrument für alleinerziehende Eltern. Wenn sie wegen des Ausfalls der Unterhaltszahlungen des -anderen Elternteils nicht nur selbst für die Betreuung des Kindes sorgen, sondern auch für den ausfallenden Barunterhalt aufkommen müssen, ist der Unterhaltsvorschuss eine große Hilfe und hat armutsreduzierende Wirkung. Derzeit hat ein Kind unter zwölf Jahren, das von seinem getrennt lebenden Elternteil – in der ganz überwiegenden Anzahl sind es Väter – keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt erhält, Anspruch auf eine monatliche Zahlung der Unterhaltsvorschussstellen. Er beträgt für ein Kind unter sechs Jahren 133 Euro und für ein Kind unter zwölf Jahren 180 Euro und gilt für längstens 72 Monate, also sechs Jahre. Im Jahr 2009 bezogen über 480 000 Kinder diese Ersatzleistung. Wir unterstützen mit dieser Leistung die Alleinerziehenden in der schwierigen Situation eines Konflikts um den Kindes-unterhalt.
Die Unterhaltschuldner werden durch die Zahlung des Unterhaltsvorschusses keineswegs entlastet. Die Unterhaltsansprüche der Kinder gehen auf das jeweilige Land über, das dann Rückgriff beim Unterhaltsverpflichteten nimmt. Zur Durchsetzung dieses Rückgriffsanspruchs und zur Erleichterung der Antragstellung hat die Bundesregierung Verbesserungsvorschläge unterbreitet, die wir in den anstehenden Beratungen noch genauer unter die Lupe nehmen werden.
Ich bedaure sehr, dass die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, die Altersgrenze auf 14 Jahre anzuheben, im Gesetzentwurf nicht aufgegriffen worden ist. Gerade aus dem Blickwinkel der Alleinerziehenden wäre uns die Anhebung der Altersgrenze ein sehr wichtiges Anliegen, denn wir wissen um die besondere Belastung der Alleinerziehenden. Leider konnten aus dem Haushalt des BMFSFJ für dieses Anliegen keine zusätzlichen finanziellen Mittel berücksichtigt werden.
Die Aspekte der Entbürokratisierung, die der Gesetzentwurf aufgreift, gehen auf die Wünsche der Länder zurück. Die Länder setzen über die Kommunen das Unterhaltsvorschussgesetz um; insbesondere für die Kommunen ist das mit einem hohen finanziellen und bürokratischen Aufwand verbunden. Sie wünschen sich insbesondere die Erleichterung beim Rückgriff. Zu dessen Durchsetzung stehen den Unterhaltsvorschussstellen zwar Auskunfts- und Anzeigepflichten zur Seite; diese sind aus den Erfahrungen der Praxis aber oftmals nicht ausreichend. Die Rückgriffquote lag im deutschen Durchschnitt im Jahr 2008 bei lediglich 19,5 Prozent. Den Ausgaben in Höhe von circa 850 Millionen Euro standen Einnahmen in Höhe von nur circa 160 Millionen Euro gegenüber. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schlägt hier eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen vor, unter anderem bessere Möglichkeiten zur gerichtlichen Durchsetzung von Rückgriffsansprüchen, neue Informationspflichten und erweiterte Auskunftspflichten für Kreditinstitute und Verwaltung sowie die Evaluierung der Auswirkungen der erweiterten Auskunftspflicht.
Die Vereinfachung der Verwaltung, vor allem aber die Verbesserung des Rückgriffs sind nachvollziehbare Anliegen, die wir grundsätzlich unterstützen. Ein funktionierender Rückgriff ist auch deshalb besonders wichtig, weil er die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Anschluss an die Zahlung von Unterhaltsvorschuss gut vorbereitet und dadurch nachhaltig hilft. Hier kann zum Beispiel auch die Idee des Bundesrates, die Informationsquellen zur Durchsetzung des Rückgriffs für die Unterhaltsvorschussstellen durch die Einführung eines automatisierten Datenabgleichs und Kontenabrufs auszuweiten – wie es beim BAföG und Wohngeld bereits möglich ist –, ein guter Ansatzpunkt sein. Darüber sollten wir diskutieren.
In diesem Zusammenhang muss die ursprüngliche Zielsetzung des Unterhaltsvorschusses wieder stärker in den Blick genommen werden. Ursprünglich war er als eine reine Übergangsregelung angelegt zur Hilfe in einer besonders schwierigen Situation der Alleinerziehenden und ihrer Kinder. In der Praxis ist dies zum Teil aus dem Blick geraten; mittlerweile ist der Unterhaltsvorschuss eine meist von vornherein auf den gesamten Zeitraum von sechs Jahren angelegte Ersatzleistung. Es muss wieder mehr in den Blick geraten, (zumeist) die Mutter -darin zu unterstützen, den Anspruch des Kindes gegen den (zumeist) Vater geltend zu machen. Der Unterhaltspflichtige muss wieder verstärkt in die Verantwortung genommen werden. Es gibt viel zu viele Fälle, bei denen sechs Jahre Unterhaltsvorschuss gezahlt wird, ohne dass in dieser Zeit das Verfahren für den Unterhaltsanspruch an den Vater vorbereitet wird und darüber hinaus der Mutter auch nicht die praktische Hilfe bei der Umsetzung ihres Anspruchs gegeben wird.
Denn es muss weiter als Normalfall empfunden werden, dass der Unterhaltspflichtige den Unterhalt an sein Kind selbst zahlt. Es ist auch eine wichtige Botschaft für das Kind, dass die Eltern für seinen Unterhalt zahlen und nicht eine Behörde. Auf dieser Linie liegt, dass wir bei der anstehenden Reform der Verbraucherinsolvenz bei der Restschuldbefreiung auch Verbindlichkeiten aus rückständigem Unterhalt ausnehmen wollen. Wir stellen damit die vorsätzliche Nichtleistung des Unterhalts einer unerlaubten Handlung gleich. Damit unterstreichen wir, dass Unterhaltsschulden keineswegs als Kavaliersdelikt zu betrachten sind, sondern dass Unterhaltspflichtverletzungen einen Straftatbestand darstellen. Überhaupt muss das öffentliche Bewusstsein dafür gesteigert werden, dass Kindesunterhalt ein Anspruch des Kindes ist, der seine Existenz sichert und nicht verhandelbar ist.
Bei einigen Vorschlägen aus dem Gesetzentwurf habe ich allerdings meine Zweifel, ob sie nicht zu unnötigen und ungerechtfertigten Verschlechterungen für die Alleinerziehenden führen könnten. Ich denke hier zum -Beispiel an die im Gesetzentwurf geplante Regelung zur Anrechnung von Leistungen an Dritte auf Unterhaltszahlungen. Demzufolge sollen Unterhaltszahlungen an Dritte, die unmittelbar dem Kind zugutekommen, zum Beispiel für Kinderbetreuung, Sportkurse, Musikunterricht, auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Es wäre dann in das Belieben des Unterhaltspflichtigen gestellt, wie er den Unterhalt zahlt. Konflikte zwischen dem betreuenden und dem unterhaltspflichtigen Elternteil sind damit vorprogrammiert. Gerade für den be-treuenden Elternteil ist es ein qualitativer Unterschied, ob Geld zur eigenverantwortlichen Verfügung erhalten wird oder faktisch nur eine Sachleistung infolge der Zahlung an Dritte. Hier sollten wir uns um eine bessere Regelung bemühen, die den Barunterhalt sichert und nicht für zusätzliches Konfliktpotenzial sorgt.
Des Weiteren wünschen sich die Länder den Verzicht auf rückwirkende Auszahlung des Unterhaltsvorschusses für einen Monat. Diese beschränkte Rückwirkung soll wegfallen und der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss erst ab dem Monat der Antragstellung bestehen. Zur Begründung wird der hohe Verwaltungsaufwand aufgeführt, der gerade bei der Prüfung der Anspruchsgrundlagen für den Monat vor Antragstellung besonders hoch ist; im Gesetzentwurf ist die Rede von einer Verringerung der Belastung von 92 500 Arbeitsminuten für die Verwaltung. Auf der anderen Seite bedeutet die Streichung der Rückwirkung für den Monat vor Antragstellung in vielen Fällen den Verlust einer monatlichen Unterhaltsvorschusszahlung in der besonders schwierigen Trennungsphase der Eltern. Das müssen wir sorgsam gegeneinander abwägen; beide Seiten werden im Gesetzgebungsverfahren hierzu noch Stellung nehmen können.
Aus meiner Sicht ist wichtig, dass mögliche Effizienzgewinne im Bereich Unterhaltsvorschuss bleiben müssen. Frei werdende Gelder müssen weiter diesem Zweck zugeführt werden und zum Beispiel in die Verlängerung der Bezugsdauer fließen.