Frauen in Führungspositionen schaffen Vorbilder

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Woche die Situation der Frauen unter verschiedenen Aspekten in den Blick genommen: Minijobs standen auf der Tagesordnung; über den Unterhaltsvorschuss wurde debattiert; um die Finanzierung von Frauenhäusern geht es heute noch. Aktuelle Themen sind darüber hinaus die Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei der Rente, Altersarmut und, vor allem, die allgemeine Entgeltungleichheit.

Für all das gibt es Pro und Kontra, auch unter Frauen werden diese Themen differenziert diskutiert. Häufig kann man erkennen, dass die persönliche Lebenserfahrung oder auch das Alter zu unterschiedlichen Einschätzungen führen. Mir geht es in diesem Zusammenhang darum, zu zeigen, dass das alles Facetten desselben Themas sind. Bei all diesen Punkten spielt es eine Rolle, dass alle Frauen eine andere Lebenssituation haben, die sich in einem je anderen Zugang zu eigener sozialer Sicherheit, zu eigener beruflicher Karriere und eigenem Einkommen äußert.

Es gibt Ursachen, die auf freiwillige Entscheidungen zurückgehen – die Berufswahl zum Beispiel; auch wenn man daran sicherlich einiges ändern könnte –, aber auch Ursachen, die in den Strukturen liegen: traditionelle Unterschiede in der Beteiligung an der Arbeit in der Familie; Erwartungshaltungen, die sich auswirken; andere Prioritäten. Es gibt auch strukturelle Ursachen, die kaum zu beeinflussen sind. Gerade beim Thema Quote haben wir es mit Strukturen zu tun, die sich individuell nicht beeinflussen lassen. All diese Dinge greifen ineinander, und all diese Dinge haben ihre Auswirkungen darauf, dass Frauen in höheren Positionen so stark unterrepräsentiert sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Weshalb sage ich das? Ich will zeigen, dass „Frauen in Führungspositionen“ kein Luxusthema ist, das eine zwei- bzw. maximal dreistellige Zahl von Frauen betrifft. Vielmehr handelt es sich um die Ausprägung einer allgemeinen Problematik. Das betrifft Kassiererinnen bei Edeka ganz genauso wie Alleinerziehende oder Frauen, die über Jahre in einem Minijob festhängen und ihren ursprünglichen Beruf nicht weiter betreiben können, oder Wissenschaftlerinnen, die keine angemessene Professur bekommen. All das sind Ausprägungen desselben Themas, dass sich unterschiedliche Lebenserwartungen, unterschiedliche Traditionen in der gleichen Weise auswirken.

Es gibt noch einen Grund, weshalb „Frauen in Führungspositionen“ kein Thema ist, das nur einige wenige Frauen in einer privilegierten Situation betrifft. Wie viele Frauen wir sichtbar in Führungspositionen haben, wird nämlich weit über diese Funktionen hinauswirken, weil Frauen in Führungspositionen Vorbilder schaffen, die in die Struktur der Unternehmen hineinwirken und ein Umdenken bewirken, nicht nur in den Unternehmen, sondern in der gesamten Gesellschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In Deutschland wird man nie wieder infrage stellen, ob eine Frau auch Kanzlerin sein kann. Damit ist zugleich auch die Frage beantwortet, ob eine Frau Abteilungsleiterin einer Behörde sein, ob sie Filialleiterin einer Bank sein kann, ob sie Leiterin eines Supermarktes sein kann.

(Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Frau kann alles, nur nicht SPD-Kanzlerkandidatin werden!)

Genauso wird zum Beispiel in den USA nie wieder die Frage gestellt werden, ob ein Schwarzer Präsident sein kann. Das sind Fragen, die dadurch beantwortet worden sind, dass diese besonders herausgehobene Position einmal von einer entsprechenden Person wahrgenommen worden ist. Deshalb ist es auch ein Beitrag zur Lösung des ganzen Problems an allen Stellen in der beruflichen und in der gesellschaftlichen Hierarchie. Wenn wir mehr Frauen in Führungspositionen haben, wird das auch Auswirkungen auf die unteren Hierarchieebenen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist der Einwand, den wir häufig hören: „Kümmert euch doch nicht um so ein Luxusproblem, sondern kümmert euch darum, wie die Frauen über die Runden kommen, die in ganz anderen Lebenssituationen sind“, nicht berechtigt. Wir dürfen das eine nicht gegen das andere stellen, sondern alle Themen gehören zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Heute ist das Thema die Quote, über das wir uns schon oft ausgetauscht haben, wenn jetzt allerdings auch schon ein paar Monate nicht mehr. Von daher noch einmal die wichtigsten Punkte für Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen? – Ja, klar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist mittlerweile Allgemeingut. Da kriegen wir -Applaus aus dem ganzen Haus.

(Zuruf von der SPD: Von wegen!)

Der Grund ist doch auch klar: Wer nach guten Leuten nur in der Hälfte der Bevölkerung sucht, der schöpft das Potenzial an Intelligenz, Kreativität, Qualifikationen und Ideen nicht aus. Deshalb ist es schon aus der egoistischen Sicht der Unternehmen wichtig, nach Talenten unter den Frauen Ausschau zu halten.

Ein weiterer Aspekt ist folgender: Gemischte Teams haben die besseren Ergebnisse. Wo unterschiedliche Lebenserfahrungen zusammenkommen, da wird an alle Aspekte gedacht, und die Entscheidung ist am Ende besser. Dazu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen.

Ich will auch auf den Aspekt der Chancengleichheit hinweisen. Wo Frauen die gleichen Qualifikationen haben – gerade in den entscheidenden Ausbildungsgängen, Jura, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, haben sie längst gleich gute Qualifikationen –, da müssen ihnen auch die gleichen Chancen gegeben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur, brauchen wir dazu eine gesetzliche Quote?

(Christel Humme [SPD]: Ja!)

Ja! Denn von allein wird sich wenig ändern. Das zeigt uns doch die Erfahrung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade die Sinus-Studie des Frauenministeriums hat gezeigt: Es bestehen stark verfestigte Strukturen und Rituale, die sich selbst reproduzieren, die sich perpetuieren und das Nachrücken von Frauen behindern.

Wir können zwar Fortschritte erkennen; die gibt es im Moment. Aber die vollziehen sich vor dem Hintergrund unserer momentanen Debatte, wodurch das Thema alle paar Monate auf der Tagesordnung steht und den Unternehmen auch signalisiert wird, dass sich etwas tut. Im Vorgriff darauf oder auch, um eine gesetzliche Regelung zu verhindern, strengen sie sich jetzt besonders an.

Aber 70 Prozent und mehr der Entscheidungsträger in den Unternehmen selber – das zeigt die empirische Studie des Frauenministeriums von Carsten Wippermann – glauben nicht, dass das bereits ein selbsttragender Effekt ist und dass sich ohne verbindliche Vorgaben etwas tun wird. Die wissen, wovon sie sprechen.

Wir sehen also, die abstrakte Erkenntnis „Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen“ endet da, wo es die eigene Situation, die eigene Position im Aufsichtsrat, im Vorstand betrifft. Im eigenen Umfeld soll doch bitte alles so bleiben, wie es ist. Wir fangen einmal ganz unten an und schauen in 30 Jahren weiter.

(Christel Humme [SPD]: 60! 120!)

Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Sie kann durchaus vernünftige Ausnahmen vorsehen. Wenn ein Familienunternehmen von den Mehrheitseignern selbst geführt wird, da kann eine Ausnahme in Ordnung sein, weil man natürlich die Positionen in der Familie weitergibt. Wer mit fünf Söhnen oder – wie meine Eltern – mit fünf Töchtern gesegnet ist, der wird auch darunter seine Nachfolger suchen. Wo es trotz ernsthafter Suche keine geeignete Kandidatin gibt, da kann es auch Ausnahmen geben; das ist in Ordnung.

Eines steht aber fest: Wir brauchen eine gesetzliche Regelung. „Gesetzlich“ bedeutet „verbindlich“. Es reicht nicht, wenn „Gesetz“ draufsteht, dieses aber nur freiwillige Regelungen enthält.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es hat auch nichts mit den Grenzen vielleicht sinnvoller Flexibilität zu tun, wenn der Adressat der Regelung selber entscheidet, welche Vorgaben er sich gibt, ohne dass ihm irgendwelche Kriterien vorgegeben werden. Flexibilität gibt es in gesetzlichen Regelungen an vielen Stellen: Nicht jeder zahlt die gleichen Steuern, das Tempolimit ist an unterschiedlichen Stellen, je nach Straßenlage, unterschiedlich. Dass sich aber der Adressat der Regelung, die sein Verhalten ausrichten soll, selber ohne besondere objektive Kriterien aussucht, zu was er sich verpflichten will: Das hat noch nie funktioniert. Auf die Idee kommt man an anderen Stellen nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sollten wir es nicht allein der Bestenauslese überlassen?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Funktioniert ja nicht!)

Das ist auch ein häufig gehörtes Argument. Es wäre ja schön, wenn es die Bestenauslese gäbe. Dass alle bisherigen Aufsichtsräte und Vorstände durch einen harten Prozess knallharter Bestenauslese gegangen seien, glauben allenfalls sie selber.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist ein Mythos. So hat es uns auch die neue Personalchefin der Telekom, Frau Professor Schick, diese Woche noch einmal erklärt. Gleiches haben wir vorher von Herrn Sattelberger gehört. Gleiches bestätigt auch die Wippermann-Studie des Frauenministeriums. Hier kommen eben andere Strukturen zum Tragen: die Loyalitäten, die Rituale, die Closed-Shop-Situation. Es ist teilweise schon bitter, von wem man sich erklären lassen muss, dass es doch nur die Besten sind, die sich durchsetzen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sollten wir uns mehr um andere Rahmenbedingungen kümmern? Natürlich müssen wir uns auch um andere Rahmenbedingungen kümmern. Wir tun das auch. Die Betreuungssituation und die Ermunterung an Frauen, sich mehr für MINT-Berufe zu entscheiden, ist wichtig. All das alleine reicht aber auch nicht. Schauen wir nach Frankreich. Dort ist zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf seit vielen Jahren deutlich einfacher. Trotzdem hat es auch dort erst der Quote bedurft, um Frauen stärker in Führungspositionen zu platzieren. Wir müssen also beides tun. Lasst uns doch nicht immer nur das Entweder-oder bedenken, sondern wir müssen in -cumulo alles zusammentun, um an den wirklichen Verhältnissen in Führungspositionen etwas zu verändern.

Ich freue mich, dass ich hier sehr viel Bereitschaft erlebt habe, konstruktiv daran mitzuwirken, zu Regelungen zu kommen, die auch wirklich funktionieren. Hier wurden einige Dinge kritisiert. Das kann man sich bestimmt noch einmal im Einzelnen anschauen. Im Dezember haben wir ja eine Anhörung dazu. Wir müssen dann aber auch zu konstruktiven Vorschlägen dafür kommen, wie das klappen kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag hat natürlich auch eine taktische Seite. Es gibt noch einen anderen Antrag der SPD im Verfahren. Sie müssen jetzt schon einmal sagen, was denn nun gelten soll. Geht es auch um Vorstände? Ja oder nein? Welche Sanktionen sollen es denn nun sein?

(Burkhard Lischka [SPD]: Wir wollen Ihnen doch nur helfen, Frau Winkelmeier-Becker! – Thomas Oppermann [SPD]: Brücken bauen!)

– Nein, das zeigt leider – das ist dann doch ein Stück weit Kritik –, dass es Ihnen auch sehr viel um Taktik geht.

(Burkhard Lischka [SPD]: Nein, Brücken bauen! – Thomas Oppermann [SPD]: Zu Herrn Kauder wollen wir auch eine Brücke bauen! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sollten sich einmal um eine Kanzlerkandidatin bemühen!)

Ich finde das auch schade vor dem Hintergrund, dass ein Antrag aus dem Bundesrat kommt, ohne ein eindeutiges ausschließliches Parteisiegel zu tragen. Er kommt aus Hamburg, das ist klar, aber er wird von der Ministerpräsidentin des Saarlandes und vom Ministerpräsidenten aus Sachsen-Anhalt unterstützt. Ich weiß nicht, wer das schon mitbekommen hat: Mittlerweile hat sich auch unsere Landtagsfraktion des Landtages Baden-Württemberg diesen Antrag zu eigen gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingo Egloff [SPD]: Ja, Herr Kauder!)

Sie wissen, dass es nicht ohne Bedeutung ist, dass Sie diesem Antrag Ihr parteipolitisches Siegel jetzt noch einmal zusätzlich aufgedrückt haben. Wir brauchen darüber heute aber noch nicht zu entscheiden. Ich hoffe, dass wir auch aufgrund dieses Antrages in eine weiterhin konstruktive Beratung eintreten werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)

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