Situation, Erwartungshaltung und Ansprüche der Frauen haben sich verändert

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in der Tat in vielen Punkten einig. Herr Steinmeier, dass im Schnitt Frauen fast drei Monate länger arbeiten müssen als Männer, um so viel zu verdienen wie das, was Männer schon am Silvesterabend in der Kasse haben, ist empörend und ungerecht. Es ist klar, dass das ein wichtiges Handlungsfeld der Politik sein muss.

Es sind viele Punkte angesprochen worden, die in dem Ursachengeflecht eine Rolle spielen. Auch die Anhörung hat da keine wirklich große Überraschung gebracht. Die Zusammenhänge, die dort dargestellt wurden, waren bekannt: Erwerbsunterbrechungen wegen familiärer Sorgearbeit, Reduzierung der Arbeitszeit, Teilzeit, Minijobs, die Rollenklischees, das Berufswahlverhalten. All diese Themen kennen wir seit langem, auch in ihrem Zusammenspiel. Es zeigt, dass die Ausganssituation sehr schwierig ist.

Ich möchte drei Sätze dazu sagen, wie es dazu gekommen ist. Die Bundesrepublik hat einfach mit einem – in Anführungszeichen – „normalen“ Familienbild begonnen, das sich über die Jahrzehnte etabliert hat. Darum herum haben sich das Steuerrecht und das Bildungssystem entwickelt. In diesem Modell haben Frauen nur dazuverdient. Das wurde damals gar nicht als Defizit empfunden. Das sehen wir heute natürlich ganz anders. Das ist heute so nicht mehr denkbar. Da haben sich die Situation, die Erwartungshaltung und auch die – berechtigten – Ansprüche der Frauen deutlich verändert.

Der Verweis auf die historische Entwicklung macht das Ergebnis, mit dem wir heute konfrontiert sind, nicht erträglicher, sondern ist als Aufforderung zu verstehen, uns dieser großen Aufgabe zu stellen.

(Elke Ferner [SPD]: Es freut mich, dass Sie zustimmen, Frau Kollegin!)

Es handelt sich wirklich um eine große Aufgabe. Ich habe nicht die Hoffnung, dass sie sich mit einem auf Betriebe beschränkten Entgeltgleichheitsgesetz wuppen lässt.

Ich habe noch eine Bitte. Wir sollten die Diskussion nicht so führen, dass sich diejenigen, die das beschriebene Modell gelebt haben, diskriminiert oder in ihrer Arbeit nicht gewürdigt fühlen. Viele Frauen hatten damals keine andere Wahl. Sie haben eine tolle Arbeit geleistet, haben ihre Familien gut versorgt und Kinder erzogen. Aber am Ende sehen sie sich mit dem Gender Pension Gap konfrontiert. In der Tat sollten wir hier etwas tun. Die Anerkennung von Erziehungszeiten kann ein Element sein. Damit sind an dieser Stelle sicherlich nicht alle Probleme gelöst. Aber so kann durchaus ein relevanter Beitrag geleistet werden.

Ich kann nicht auf alle Punkte eingehen, die anzusprechen wären. Ich möchte aber auf den Zusammenhang zwischen Berufsunterbrechung und der Entwicklung von Berufschancen eingehen. Ich möchte ausdrücklich sagen: Es geht mir nicht nur um Berufschancen, sondern auch um Karrierechancen. Das ist ein Unterschied. Die Frauen wollen nicht nur in den Beruf zurückkehren, sondern sie wollen auch dort wieder anknüpfen, wo diejenigen stehen, mit denen sie zusammen im Beruf begonnen haben und die keine Unterbrechung hatten. Das ist der Anspruch.

Die Grünen verweisen in ihrem Antrag zu Recht darauf: Wird die Erwerbstätigkeit wegen Familienarbeit unterbrochen oder reduziert, hat das Einkommenseinbußen zur Folge, die später nicht wieder auszugleichen sind. – Das stimmt und ist erschütternd. In der Anhörung wurde das sogar näher beziffert. Wer ein Jahr aussetzt, hat im Durchschnitt 4,8 Prozent weniger Lohn pro Jahr zu erwarten und wird damit sogar mehr abgestraft als jemand, der ein Jahr wegen Arbeitslosigkeit aussetzt. Dass das so ist, hat mich sehr erschüttert.

Deshalb ist klar: Alles, was die Rückkehr in den Beruf sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert, ist gut und entspricht im Übrigen auch den Erwartungen, die die Arbeitgeber vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels formulieren. Die Möglichkeiten für Frauen, in den Beruf zurückzukehren, sind also eigentlich ganz gut, sofern sie denn Kinderbetreuungsmöglichkeiten haben.

Man muss das aber auch aus einer anderen Perspektive sehen. Ich weiß aufgrund meiner eigenen Lebenserfahrung – das lässt sich auch im Gleichstellungsbericht und im Achten Familienbericht finden –, dass es immer wieder einmal Phasen gibt, in denen beide Elternteile nicht durchgängig Vollzeit arbeiten können. Ich selbst habe drei Kinder. Als diese null, drei und viereinhalb Jahre alt waren, habe ich mir eine komplette Auszeit von zwei Jahren genommen. Es wäre nicht zielführend gewesen und hätte auch nicht der Lebensqualität genutzt, wenn auch ich damals Vollzeit gearbeitet hätte. Es war schon kompliziert genug, als ich zwei Jahre später wieder angefangen habe.

Wir müssen dafür sorgen, dass es jederzeit möglich ist, einmal eine begrenzte Zeit auszusetzen, ohne dabei den Anspruch zu verlieren, beim beruflichen Wiedereinstieg dort anzuknüpfen, wo man ohne die Unterbrechung wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Um es vielleicht noch anschaulicher zu machen: Ich finde, man muss beispielsweise im Alter von 30 Jahren einmal zwei Jahre aussetzen und trotzdem mit 50 oder auch mit 40 Jahren Führungspositionen bekleiden können. Die berufliche Entwicklung sollte jedenfalls altersgerecht und ohne den nachhängenden Nachteil einer Kindererziehungsphase verlaufen. Auch das müssen wir berücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dazu gehört, dass Familienarbeit und die dabei erworbenen Kompetenzen besser gewürdigt werden. Das heißt, wir brauchen eine gezielte Förderung beim beruflichen Wiedereinstieg. Für mich gehört dazu auch – das ist sicherlich keine Neuigkeit – eine verbindliche Zielquote in der Frauenförderung, gerade wenn es um Führungspositionen geht. Denn das kann das Vertrauen in die Überzeugung stärken, dass man ruhig einmal eine Auszeit nehmen kann, wenn sie zur eigenen Life Work Balance gehört, ohne Karrierechancen zu verlieren.

Jetzt wollen Sie sicherlich wissen, warum wir Ihren Antrag ablehnen.

(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Stimmt!)

– Das fällt mir nicht schwer zu sagen.

Ein Punkt stört mich wirklich. Ich finde, dass das Ehegattensplitting – auch wenn diese Phasen nicht ein ganzes Leben lang oder 15 Jahre dauern, sondern vielleicht nur 2 oder 3 Jahre – die angemessene steuerliche Behandlung darstellt. Wer in dieser Zeit Alleinverdiener ist, während der Partner mit den Kindern zu Hause ist, darf steuerlich nicht so veranlagt werden, als hätte er das Geld für sich alleine. Es muss vielmehr steuerlich anerkannt werden, dass er sein Geld mit dem anderen Partner teilt.

Mich hat nie das Argument überzeugt, dass das Ehegattensplitting der große Hemmschuh bei dem Wiedereinstieg in den Beruf sein soll.

(Elke Ferner [SPD]: Dann lesen Sie doch mal die ganzen Studien!)

Wenn wir ordentliche Stellen und eine ordentliche Betreuung haben, dann ist für den Wiedereinstieg das Splitting kein Hemmschuh. Denn das zusätzliche Einkommen wird immer den größeren Effekt haben als der Vorteil durch das Splitting.

(Elke Ferner [SPD]: Wer das Splitting beibehalten will, will auch die Einkommensunterschiede beibehalten!)

– Nein, die Einkommensunterschiede werden nicht honoriert, sondern im Steuerrecht wird nur der Nachteil ausgeglichen,

(Elke Ferner [SPD]: Die Unterschiede werden honoriert!)

sodass man sich nicht schlechter steht als das Paar, das gleiche Einkommen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie sehen auf die Uhr, Frau Kollegin?

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
Ja. – Ich wünsche mir, dass wir noch viele Equal Pay Days im Schnee feiern, aber dass das nicht an einem außergewöhnlich kalten März liegt, sondern daran, dass wir demnächst den Equal Pay Day im Januar, am liebsten an Neujahr, feiern können.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

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