Mit unserem Änderungsantrag haben wir es als Regierungskoalition geschafft, den guten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten in allen einschlägigen Punkten zu optimieren. Dadurch steht einer Förderung und deutlichen Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs nichts mehr im Wege. Bundesregierung und Bundesrat waren sich von Anfang an darüber einig, dass die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs in den vergangenen Jahren weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Nun haben Bund und Länder nach zahlreichen Gesprächen mit der Praxis einen gemeinsamen Nenner gefunden, der den bestmöglichen Sicherheitsstandard mit der nötigen Praktikabilität in Einklang bringt und zugleich Verbesserungsvorschläge von Experten, insbesondere in Sachen Barrierefreiheit, berücksichtigt.
Ob nun De-Mail, qualifizierte elektronische Signatur oder Ende-zu-Ende-Verschlüsselung; alles Termini, mit denen wir uns in den vergangen Monaten ausgiebig beschäftigt haben. Teilweise ist diesbezüglich ein wahrer Glaubenskrieg entstanden. Jedes Kommunikationsverfahren könnte noch besser gesichert werden; dies aber stets um den Preis der Massentauglichkeit bzw. Praktikabilität, die für das Nutzerverhalten elementar wichtig sein wird. Wir haben uns bei den sicheren Übermittlungswegen für einen Mittelweg entschieden, bei welchem die Einfluss- und Korrekturmöglichkeiten des Gerichts mit berücksichtigt worden sind.
Nachbesserungsbedarf ergab sich für uns eher im Bereich der von Behörden genutzten sicheren Übermittlungswege. Bisher stand den Behörden nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nur die Übermittlung per De-Mail zur Verfügung. Von einigen wird jedoch das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach, EGVP, bereits in großem Umfang verwendet und ist in die bestehende IT-Landschaft integriert. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Behörden bei gleichzeitiger Übermittlung von Strukturdaten und unter Verwendung des EGVP über einen sicheren Übermittlungsweg mit der Justiz kommunizieren können. Das angedachte Behördenpostfach erfüllt die Voraussetzungen für einen sicheren Übermittlungsweg, da die Authentizität des übermittelten Dokuments durch wirksame Zugangskontrollen sichergestellt wird.
Nachvollziehbar war für uns zudem der Wunsch der Anwaltschaft nach einer Beibehaltung des Empfangsbekenntnisses. Eine automatisierte Eingangsbestätigung hätte dazu geführt, dass der Anwalt nicht mehr persönlich von der Zustellung hätte Kenntnis nehmen können. Deshalb haben wir uns anstatt für eine automatisierte Eingangsbestätigung in Verbindung mit einer Zugangsfiktion für einen elektronischen Zustellungsnachweis, der dem herkömmlichen Empfangsbekenntnis für Zustellungen nach § 174 ZPO entspricht, entschieden. Denn das Empfangsbekenntnis hat sich für Zustellungen von Schriftstücken bewährt und sollte daher für elektronische Zustellungen beibehalten werden.
Um keinen zusätzlichen Bürokratieaufwand zu verursachen, wird das elektronische Empfangsbekenntnis dann in Form eines strukturierten Datensatzes übermittelt, der dem Anwalt bei der Zustellung zur Verfügung gestellt wird. Durch einfaches Anklicken kann der Empfang des elektronischen Dokuments bestätigt werden und das Gericht kann den zurücklaufenden Datensatz sofort dem zugestellten Dokument zuordnen.
Ebenfalls zur Entbürokratisierung der gerichtlichen Arbeitsabläufe beitragen wird die Möglichkeit der maschinellen Beglaubigung von zuzustellenden Schriftstücken. Als Authentizitätsnachweis wird in diesem Zusammenhang das Gerichtssiegel ausreichend sein; einer Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bedarf es nicht. Bei einer beglaubigten elektronischen Abschrift eines Schriftstücks kann allerdings wegen des notwendigen Integritätsschutzes für das zuzustellende gerichtliche Dokument nicht auf eine qualifizierte elek-tronische Signatur des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle verzichtet werden; hier besteht aber die Möglichkeit einer zentralen elektronischen Beglaubigungsstelle.
Um die Rechtswegs- und Verwaltungsvereinfachungen zu erreichen, wird es letztendlich darauf ankommen, in absehbarer Zeit eine bundesweite flächendeckende Umsetzung der Maßnahmen, ohne föderale Zersplitterung, zu erreichen.
Bei allen technischen Neuerungen war es uns ein zentrales Anliegen, einen bestmöglichen barrierefreien Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen. Deshalb haben wir nahezu alle Vorschläge des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. in unserem Änderungsantrag umgesetzt. Die Änderungen unmittelbar im Gerichtsverfassungsgesetz dienen der Gewährleistung der verfahrensübergreifenden Bar-rierefreiheit bei der elektronischen Kommunikation mit dem Gericht. Ab sofort sind sichere Übermittlungswege, bei vorhandener Ermächtigungsgrundlage eingeführte elektronische Formulare und natürlich auch elektronische Dokumente barrierefrei zu gestalten.
Mit unserem Änderungsantrag verbessern wir einen Gesetzentwurf, der durch die Bank von allen Sachverständigen und Verbänden aus der Praxis ausdrücklich begrüßt wird. Monate-, wenn nicht sogar jahrelang wurde in Workshops, Tagungen und Podiumsdiskussionen nach der idealen Lösung gesucht. Wir geben nun einen Rahmen für eine bestmögliche Umsetzung. Es wird aber auch Sache der Länder sein, für die technische Ausrüstung der Gerichte und der Verwaltung zu sorgen.
Kommen wir nun zu einem Punkt, der in dieser Reform mit geregelt wird und in der gerichtlichen Praxis eine wichtige Rolle spielt: dem Änderungsbedarf im Revisionsrecht. Nach geltendem Recht kann der Revisionsankläger die Revision noch bis zur Verkündung des Revisionsurteils zurücknehmen, und dies ohne eine Zustimmung des Revisionsbeklagten. Der Beklagte kann zudem, auch in der Revisionsinstanz, den Anspruch noch bis zur Verkündung des Urteils anerkennen. Ein entsprechendes Anerkenntnisurteil bedarf dann keiner Begründung.
Mehrere Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs insbesondere in bank- und versicherungsrechtlichen Angelegenheiten sind in jüngster Zeit auf diese Weise verhindert worden, da nach Hinweisen in der mündlichen Verhandlung der voraussichtlich unterlegene Part entweder den Anspruch anerkannt oder seine Revision zurückgenommen hat. In diesen Fällen gab es dann zwingend lediglich ein Anerkenntnisurteil ohne Begründung bzw. einen Beschluss allein über die Kosten und den Verlust des Rechtsmittels.
Die Neuregelung schränkt dies ein und bindet die Rücknahme der Revision in bestimmten Fällen an die Einwilligung des Revisionsbeklagten. Bei einem Anerkenntnis des Beklagten in der Revisionsinstanz muss der Kläger künftig den Erlass eines Anerkenntnisurteils beantragen. In beiden prozessualen Konstellationen kann also künftig der Kläger des Rechtsstreits die Absicht des Beklagten, eine Grundsatzentscheidung zu verhindern, durch unterlassene Mitwirkung vereiteln.
Wir verabschieden damit heute zwei wichtige Verfahrensverbesserungen, die sich sicher in der Praxis bewähren werden.