Rede zur Sukzessivadoption
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den Gesetzentwurf, der die Sukzessivadoption eines Kindes durch den Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gesetzlich regelt. Unsere Regelung sieht vor, dass das Adoptivkind des einen Partners auch von dem anderen angenommen werden kann, unabhängig davon, ob die erste Adoption vor oder auch schon während der bestehenden Lebenspartnerschaft erfolgt ist.
Der Minister sagte es schon: Wir setzen damit den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts um, das im Februar des letzten Jahres entschieden hat, dass wir bis zur Mitte dieses Jahres eine entsprechende gesetzliche Regelung auf den Weg und ins Gesetzblatt bringen müssen. Genau das tun wir. Ich bin an dieser Stelle froh, dass Fristen, die aus Karlsruhe gesetzt werden, auch einmal wieder eingehalten werden. Ich denke, das ist eine gute Sache.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich stets bemüht, Umsetzungsfristen bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen!)
Gleichzeitig setzen wir das Europaratsabkommen um, das diese Form der Adoption erst ermöglicht. Es würde auch die Volladoption ermöglichen. Davon sehen wir allerdings bewusst ab. Die Regierung hat gesagt, dass davon ausdrücklich abgesehen wird.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der einzig substanzielle Gehalt Ihres Entwurfs! Fürchterlich! – Zuruf von der LINKEN: Warum denn?)
Wir stehen nicht am Anfang der Diskussion. Wir haben die Diskussion schon mehrfach geführt.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 25 Jahren wird darüber geredet!)
Ein paar Argumente, ein paar Forderungen und ein paar Reflexe auf beiden Seiten sind bekannt; so möchte ich es sagen. Den einen gehen die Regelungen dieses Entwurfs nicht weit genug, den anderen zu weit. Das ist in der Politik nicht so selten, sondern eher der Normalfall. Aber wir müssen sehen, wie wir auf diesem schmalen Grat eine gute Lösung erreichen.
Ich verweise nur auf die Bedeutung unserer Diskussion im wahren Leben. Ich habe mich beim Amtsgericht Köln – Köln! – erkundigt, welche Bedeutung diese Regelung hat, die nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts so lange vorläufig gilt, bis diese Sache gesetzlich geregelt ist. Die Anzahl der Verfahren in dieser Angelegenheit war null.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glauben Sie, dass die Leute bei so etwas klagen?)
Ich sage das in beide Richtungen. Das ist ein Anlass, die Emotionen vielleicht ein Stück weit herunterzufahren und zu erkennen, dass das jetzt nicht die alles entscheidende Frage ist, obwohl ich die symbolische Bedeutung durchaus anerkenne und nicht in Abrede stellen möchte.
Ich denke, wir legen mit dem Entwurf zur Regelung der Sukzessivadoption eine in der Praxis gute Lösung vor. Ich möchte für diese Lösung werben, nicht nur weil sie uns das Verfassungsgericht ohnehin vorgegeben hat, sondern weil diese nach meiner Ansicht in der Praxis gute Lösungen ermöglicht.
Eine Adoption – das ist klar – muss immer aus dem Blickwinkel des Kindes gedacht werden. Diesem Kind fehlen – aus welchem Grund auch immer – ein Elternteil oder beide Elternteile. Es geht darum, für dieses Kind gute Eltern zu finden. Dabei die Wünsche der annehmenden Elternteile und des anzunehmenden Kindes zu berücksichtigen, ist mit der Regelung, die wir heute vorlegen, möglich.
Für mich sind hier zwei Sätze gleichermaßen bedeutsam. Sie sind beide gleich wichtig, obwohl sie in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Der eine Satz ist: Wir gehen davon aus, dass es für die Entwicklung eines Kindes am allerbesten ist, wenn es mit Vater und Mutter aufwächst. – Diesen Satz sage ich hier mit aller Deutlichkeit und ganz bewusst. Der zweite Mann ersetzt nicht die Mutter, die zweite Frau ersetzt nicht den Vater, sondern jedes Geschlecht hat seine eigenständige Bedeutung, auch für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: So ein Unsinn!)
Der zweite Satz ist: Ob ein Mann ein guter Vater ist oder ob eine Frau eine gute Mutter ist, ist keine Frage ihrer sexuellen Orientierung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Noch einmal zu dem ersten Satz: Wir haben im vergangenen Jahr über die Situation der nichtehelichen Väter diskutiert. Da hat es für den Satz: „Ein Kind braucht Vater und Mutter“, Applaus gegeben, und zwar von allen Seiten.
Ich habe als Familienrichterin viele Fälle verhandelt, in denen Wert darauf gelegt wurde, dass ein Kind zu dem getrennt lebenden Vater oder zu der getrennt lebenden Mutter Kontakt hat, nicht nur um das Trauma der Trennung zu überwinden, sondern auch um den anderen Elternteil in seiner verschiedenen Geschlechtlichkeit zu erleben; das ist wichtig.
Uns liegen neue Erkenntnisse aus der Väterforschung vor, die unterstreichen, dass Väter von Anfang an für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes wichtig sind. Nicht zuletzt versuchen wir auch, mehr Erzieher in die Kitas zu bekommen, gerade weil wir wissen, dass sie etwas anderes einbringen als die überwiegend tätigen Erzieherinnen.
Ich komme zu dem anderen Satz. Ich kenne schwule Männer, die tolle Väter sein könnten. Ich kenne lesbische Frauen, die tolle Mütter sind. Der Staat macht sich deren Fähigkeit, zu erziehen, zunutze, indem er Pflegekinder in homosexuelle Partnerschaften gibt – mit gutem Erfolg.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was keiner will, bekommen die Schwulen und Lesben!)
Das ist anzuerkennen; das sage ich hier ausdrücklich. Die Stiefkindadoption ist etabliert und mittlerweile gängige Praxis.
Was heißt das jetzt für die Adoption vor dem Hintergrund dieser zwei Sätze, die sich aneinander reiben? Das heißt für mich: Ich kann mir keine Regelung und vor allem keine Praxis vorstellen, in der es egal ist, ob ein Kind ein Elternpaar bekommt, das aus einem Vater und einer Mutter oder aus zwei Vätern bzw. zwei Müttern besteht. Für mich ist das ein starkes Kriterium und wird es auch bei jeder konkreten Entscheidung über eine Adoption bleiben. Diesen Gedanken bringen wir im Gesetzentwurf durch die Beschränkung auf die Sukzessiv-adoption zum Ausdruck.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! Es gibt keinen sachlichen Grund außer Ihrem Bauchgefühl!)
Aber die Sukzessivadoption bietet auch Raum, im konkreten Einzelfall anders zu entscheiden. Wenn ein Kind bereits einen Lebenspartner als Elternteil hat, ist es doch klar, dass es das Beste für dieses Kind ist, wenn es auch den anderen Partner als Elternteil bekommt. Genau das ermöglicht die Sukzessivadoption.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Denken Sie bitte an die Redezeit.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
Es gibt andere Fälle in der Praxis. Denken Sie an die langjährigen Pflegekinder, die sich selber wünschen, adoptiert zu werden, oder an den Patenonkel eines Waisenkindes, der das Kind kennt und zu dem es auch will. In solchen Fällen liegt es doch auf der Hand, dass dort, und zwar auch im Wege einer Sukzessivadoption, eine gute Lösung in der Praxis gefunden werden kann. Ich habe Vertrauen in die Adoptionsvermittlungsstellen, dass sie mit dieser Regelung sehr verantwortungsvoll umgehen und gute Eltern für die Kinder suchen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)