Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich über die schöne Debattenzeit, die wir dieses Mal haben. Weder als Rechtspolitiker noch als Frauenpolitiker sind wir es gewöhnt, hier am Freitagmorgen zur besten Sendezeit zu debattieren.
Ich freue mich auch über die Reihenfolge der Themen. Beim ersten Tagesordnungspunkt haben wir heute über die Personalpolitik der Bundeswehr gesprochen, und jetzt sprechen wir über Frauenförderung mit Blick auf Führungspositionen. Früher hätte man gedacht: Größer kann der Gegensatz gar nicht sein: zuerst die Männerdomäne, dann die Frauenpolitik. Heute reicht ein Blick ins Ministerium, in die Truppe und auf das, was sich das Ministerium vornimmt, damit die Bundeswehr weiterhin attraktiv ist, um zu wissen, dass auch hier eine andere Zeit angebrochen ist und dass beides zusammenhängt, dass nämlich Frauen auch Führungspositionen in vermeintlichen Männerdomänen einnehmen können. Das ist ein gutes Zeichen auch für das Thema, das wir jetzt debattieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])
Es geht um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Es ist gut, dass beides in einem Atemzug genannt wird. Der Privatwirtschaft wird vorgegeben, wie sie zu handeln hat. Mit dem, was ihrer unmittelbaren Einflussnahme unterliegt, müssen der öffentliche Dienst und die Politik der Privatwirtschaft das vorleben. Für die Privatwirtschaft geht es dabei vor allem um die Geschlechterquote. Herzstück ist die Regelung, dass wir für die Zukunft einen Mindestanteil von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten der größten Unternehmen in Deutschland vorschreiben werden.
Heute setzen wir eine lange Debatte fort; wir haben sie schon mehrfach geführt. Ich selber habe auch schon oft dazu gesprochen, und ich hätte eigentlich nur eine frühere Rede wieder hervorziehen müssen, um sie hier zu halten; denn vieles ist genauso aktuell und wahr wie in den vergangenen Jahren. Ich glaube, wenn man sich die Debattenbeiträge hier angehört hat, dann wird klar, dass wir uns in dieser Analyse einig sind.
Es ist aber eben nicht nur ein bloßes Déjà-vu, sondern jetzt liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Das ist der ganz entscheidende Unterschied; denn dieser Gesetzentwurf, der heute hier vorgelegt wird, hat wirklich sehr gute Aussichten, in Deutschland Realität und geltendes Recht zu werden und die Wirklichkeit zu verändern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])
Meine Kollegin Katja Dörner hat den vielen Verbänden und den Protagonistinnen, die das in den vergangenen Jahren mitbewirkt haben, schon gedankt. Eine Person ist aber vergessen worden; diese möchte ich hier noch einmal ausdrücklich nennen: Unsere frühere Kollegin Rita Pawelski hat sich in dieser Diskussion wirklich verdient gemacht und immer wieder dafür gesorgt, dass das Thema auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Das ist, denke ich, einen Applaus wert.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Falls du uns zuguckst: Viele Grüße von dieser Stelle aus, Rita.
Der Gesetzentwurf hat auch deshalb gute Chancen, Realität zu werden, weil wir es mit wirklich ausgewogenen Regelungen zu tun haben, die wir schon im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Sie werden die Wirkung haben, in dem Bereich, für den sie formuliert worden sind, etwas zu verändern – aber auch weit darüber hinaus. Sie haben eine Ausstrahlungskraft in die gesamte Wirtschaft und auch in die Gesellschaft hinein. Das ist ein Feld mit sehr hoher symbolischer Bedeutung für Frauen und Mädchen, und das wird auch darüber hinaus wirken. Auf der anderen Seite werden wir mit dieser Regelung nicht übers Ziel hinausschießen, sonst wäre sie ein unverhältnismäßiger Eingriff und damit auch verfassungswidrig. Das schließen wir mit dieser Regelung, die
wir heute beraten, aus.
Mit dieser Regelung werden Frauen mehr gerechte Chancen eingeräumt, aber es werden auch nicht zu hohe Hürden errichtet, die dann wieder nur die Akzeptanz behindern würden und in Einzelfällen ein Scheitern provozieren könnten. Das würde uns allen auf die Füße fallen.
Man kann hier fast von einem Meilenstein sprechen, etwa in einer Reihe mit der Einführung des Wahlrechts für Frauen, mit Artikel 3 des Grundgesetzes und vielen anderen Gesetzen, die in diesem Zusammenhang verändert worden sind. In ein paar Jahren werden wir uns im Rückblick fragen: Wo war eigentlich das Problem? Wieso haben wir das nicht schon längst gemacht?
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich mich schon letzte Woche gefragt!)
– Genau. – Was hat uns davon abgehalten, das früher zu machen?
Vor allem aber ist diese Regelung aus meiner Sicht in einem Punkt mit diesen Meilensteinen gleichzusetzen: Neu ist nämlich, dass wir den Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ zum ersten Mal explizit auch in der Privatwirtschaft umsetzen. Im öffentlichen Dienst
haben wir längst die positive Gleichstellung. In der Privatwirtschaft ist es neu, dass nicht nur gesetzliche Hürden abgebaut werden, sondern dass wir mittels einer gesetzlichen Regelung hindernde faktische Strukturen abbauen, dass wir die Closed Shops in den Führungsgremien endlich öffnen, sodass das Prinzip der Bestenauslese endlich Platz greifen kann.
Es geht hier nicht nur um Gleichberechtigung, sondern es geht auch darum, dass die Wirtschaft von mehr Frauen in Führungspositionen profitiert. Es ist ein Vorteil für die Wirtschaft selbst, wenn unterschiedliche Lebenserfahrungen eingebracht werden, wenn nicht alle den gleichen Hintergrund, die gleiche Meinung und die gleiche Denke haben.
Ein gutes und aktuelles Beispiel – leider nicht aus Deutschland, sondern aus den Vereinigten Staaten – ist Mary Barra. Sie ist die erste Frau an der Spitze eines Automobilkonzerns, bei General Motors. Eine ihrer ersten Maßnahmen war es, sich eines technischen Problems anzunehmen, das bei General Motors zehn Jahre lang unter der Decke gehalten worden war. Es geht um defekte Zündschlösser, die teilweise von alleine in die Aus-Position springen, was auch schon zu Unfällen geführt hat. Man hat das immer unter der Decke gehalten, statt das Problem offensiv anzugehen.
Mary Barra hatte den Mut, dieses Problem transparent zu machen und es offensiv anzugehen. Sie hat die Autos in die Werkstatt zurückrufen lassen. Sie hat dazu gestanden und sich entschuldigt. Sie hat es damit geschafft, Vertrauen für ihren Konzern zurückzugewinnen. Dieses Verhalten hat dem Konzern nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: Die Absatzzahlen sind sogar in die Höhe gegangen. Sie ist an das Problem anders herangegangen, als es vorher mit den etablierten Führungsstrukturen möglich war.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
– Ich denke, das ist einen Applaus wert.
Die nackten Zahlen sind hier schon mehrfach genannt worden. Das DIW hat uns gerade rechtzeitig zu dieser Debatte frische Zahlen geliefert. Nur 5 Prozent in den Vorständen der 200 größten Unternehmen sind Frauen, also 95 Prozent Männer. In den Aufsichtsräten ist das Verhältnis 18 Prozent Frauen zu 82 Prozent Männern.
Das Verhältnis ist in der Bundesverwaltung tendenziell besser, aber auch noch nicht wirklich überzeugend. In den obersten Bundesbehörden sind 27 Prozent Frauen in Führungspositionen, im nachgeordneten Bereich 21 Prozent. Also ist das Verhältnis Pi mal Daumen ein Viertel zu drei Viertel.
Die Erklärungsversuche dafür sind heute genauso unzureichend, wie sie es auch in den vergangenen Jahren waren. Es wird immer wieder gesagt: Frauen sind in den MINT-Berufen nicht so stark vertreten. – Frauen sind aber genauso stark in den Berufen vertreten, auf die es letztendlich zumeist ankommt: in den juristischen Ausbildungsgängen und in den wirtschaftlichen Ausbildungsgängen, BWL und VWL. Diese Ausbildungsgänge vor allem haben diejenigen durchlaufen, die in den Aufsichtsgremien sitzen. Hier gibt es keinen Grund, zu sagen, dass Frauen weniger qualifiziert seien.
Aber eines ist auch klar: Was wir hier verbindlich vorschreiben, ist schon ein Eingriff in die Eigentumsposition der Anteilseigner. Sie müssen sich demnächst bei Ihrer Personalauswahl auf die verbindliche Berücksichtigung beider Geschlechter einlassen. Wenn Sie das nicht tun, dann ist die quotenwidrige Besetzung nichtig; dann bleibt der Stuhl leer. Das ist zwar eine gravierende Folge, aber anders geht es nicht. Das, was wir ins Gesetzblatt bringen, ist notwendig.
Was den zeitlichen Ablauf angeht, sind seit der freiwilligen Vereinbarung der Wirtschaft mit Kanzler Schröder bis heute 14 Jahre vergangen. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im nächsten Jahr werden es 15 Jahre sein. Viele werden erst im Jahr 2018 einen neuen Aufsichtsrat wählen. Wer es bis dahin nicht geschafft hat, genügend Frauen für seine Führungspositionen zu finden, der muss die Schuld eher bei sich selber suchen als in einer gesetzlichen Regelung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben auch immer gesagt, dass 30 Prozent reichen, um die Strukturen aufzubrechen. Wir wünschen uns – und es wird nach meiner Auffassung sicherlich dazu kommen –, dass noch deutlich mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Aber 30 Prozent reichen, um die Hindernisse abzubauen. Alles andere können wir dann dem Talent der qualifizierten Frauen überlassen.
Dann wird sich alles von alleine ergeben. Zugleich bedeutet die 30-Prozent-Regelung definitiv keine Überforderung der Unternehmen. Es geht um wenige Hunderte Frauen. Insofern wird es kein Problem sein, in Deutschland oder darüber hinaus entsprechende qualifizierte und motivierte Frauen zu finden.
Die weitere Regelung für die sonstigen börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen –
Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, denken Sie bitte an die vereinbarte Redezeit.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
– das tue ich – wird auch diese nicht überfordern. Wir erwarten allerdings, dass diese Unternehmen ihre Pflichten sehr ernst nehmen und eine entsprechende Motivation an den Tag legen, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, und werden das, soweit sie das transparent machen müssen, sehr aufmerksam verfolgen.
Ich freue mich auf unsere weiteren Beratungen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)