Pläne der Bundesregierung für einen nationalen Alleingang bei der Vorratsdatenspeicherung

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Liebes  Präsidium!  Liebe  Kollegen!  Liebe  Zuhörer! „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eine Vorratsdatenspeicherung brauchen … “

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das  ist  ein  Zitat  des  SPD-Innenministers  von  Baden-Württemberg, Reinhold Gall. Vorratsdatenspeicherung ist hilfreich in den späteren Ermittlungen,  da  haben  wir  uns  als  Innenminister  klar positioniert. – Das sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger im Morgenmagazin im Januar.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:  Schleswig-Holstein  nicht!  –  Gegenruf  des  Abg.  Michael  Grosse-Brömer [CDU/CSU]:  In  Schleswig-Holstein  ist  sogar der Datenschutzbeauftragte für die Vorratsdatenspeicherung!)

Dietmar Pistorius hält sie für ein wichtiges Instrument.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Er heißt Boris!)

– Boris, Entschuldigung. – Der SPD-Innenminister von Rheinland-Pfalz, aktueller Vorsitzender der Innenministerkonferenz,  will  ebenfalls  prüfen,  wie  die  Vorratsdatenspeicherung in Zukunft geregelt werden kann. Er hat gesagt:  Wir  brauchen  Waffengleichheit.  –  Sigmar Gabriel steht mit seiner Aussage, dass wir Vorratsdatenspeicherung brauchen, also keineswegs allein da in der SPD, sondern er wird gerade von denen unterstützt, die Ahnung haben,

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Von denen, die Ahnung haben!)

von  denen,  die  wissen,  wie  die  Sicherheitslage  in Deutschland ist

(Beifall bei der CDU/CSU)

und  woran  es  scheitert,  dass  Ermittlungen  erfolgreich geführt  werden  können  und  dass  Straftaten  verhindert werden.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:  Wie  heißt  das  federführende Ministerium?)

Ich nehme gerne den Faden von Thomas Strobl auf, der gesagt hat, wir müssten einige Irrtümer ausräumen. Ein  Irrtum,  den  ich  hier  gerne  ausräumen  möchte,  ist, dass  das  Bundesverfassungsgericht  jegliche  Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt hat. Das ist schlichtweg falsch.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Lesen Sie bitte schön einmal die Entscheidung.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich gelesen!)

Das Verfassungsgericht hat uns sehr detaillierte Vorgaben gemacht. Das hätte es sich sparen können, wenn die Vorratsdatenspeicherung  grundsätzlich  verfassungswidrig wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen eine Regelung, die genau all diese Vorgaben einhält; das ist möglich.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie soll das gehen?)

Dann haben wir immer noch eine sehr effiziente Hilfe für  unsere  Ermittlungsbehörden  bei  der  Bekämpfung schwerer Kriminalität.Um  noch  einmal  klarzustellen,  worum  es  geht: Wir reden nur von Verbindungsdaten, also von dem, was früher auf der Rechnung stand, die man von der Telekom bekommen  hat.  Wir  reden – das  muss  man  allerdings auch ehrlicherweise sagen – zusätzlich von IP-Adressen, und wir reden von den Ortungsdaten, von den Funkzellendaten von Handys; das kommt hinzu.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:  Ja,  Bewegungsprofile  von  Menschen, wo sie 24 Stunden am Tag sind!)

Wir reden aber eindeutig nicht von Inhalten, wie sie zum Beispiel  auf  Facebook  gespeichert  werden.  Wir  reden nicht von Inhalten der gesamten Kommunikation, sondern nur von diesen technischen Daten. Wie belastend ist denn nun der Eingriff für die Bürger,  wenn  wir  wirklich  all  die Vorgaben  einhalten  und ins  Gesetz  schreiben,  wenn  wir  sicherstellen,  dass  nur unter engen Voraussetzungen auf die Daten zugegriffen werden  kann,  wenn  in  aller  Regel  der  Normalfall  ist, dass sie völlig unbeachtet, ungelesen nach einer definierten Frist gelöscht werden, die wir in der Tat festsetzen sollen?  Dann  gibt  es  keine  Überwachung,  sondern  es passiert  schlichtweg  gar  nichts  mit  diesen  Daten.  Wir müssen sie allerdings – das hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem moniert – auch noch sicherer machen. An dieser Stelle haben wir an der falschen Ecke gespart;  bei  der  Datensicherheit  müssen  wir  sicherlich nachbessern. Aber wenn das alles eingehalten wird, dann weiß ich nicht, wo das ganz große Problem liegt. Mir hat eine junge Frau erzählt, dass sie aufgrund einer Funkzellenabfrage als mögliche Zeugin vernommen worden ist. Sie hat aber nichts dazu beitragen können, den Fall aufzuklären.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:  Jetzt  werden  schon  Zeugen  darüber ermittelt!)

Aber vielleicht haben andere es getan, die ebenfalls in dieser  Funkzelle  waren,  vielleicht  hat  eine  brauchbare Spur zum Täter geführt. Jedenfalls hat das bei dieser jungen Frau offenbar keine Traumatisierung ausgelöst. Das hat auch mit Generalverdacht überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen all den Leuten, die immer sagen, mit Kinderpornografie oder Terroranschlägen hätten sie persönlich nichts zu tun, klarmachen, dass auch ihnen die Internetkriminalität viel näher ist, als sie vielleicht denken. Es gibt zunehmend Delikte, die auch bei den Normalbürgern  erheblichen  Schaden  anrichten  und  für  die  es keinen Ermittlungsansatz gibt, wenn wir nicht auf IP-Adressen und Kommunikationsdaten zurückgreifen können.  Ein  Studienkollege  von  mir,  der  jetzt  Landrat  in Nordrhein-Westfalen ist, hat mir gerade in dieser Woche noch Beispiele genannt. Ein Fall war, dass eine Geschädigte eine Abmahnung wegen angeblicher Urheberrechtsverstöße bekam. Es ging um  behauptete  Redtube-Porno-Streaming-Kosten.  Die IP-Adresse konnte nicht nachvollzogen werden, es gab erheblichen Schaden und keinen Ermittlungsansatz, weil man  eben  überhaupt  nicht  nachvollziehen  konnte,  von wem das kam, was da so viel Schaden angerichtet hatte. In einem anderen Fall wurden mit Daten des Geschädigten Dienste bestellt, unter anderem bei Sky. Auch hier gab es keinerlei Ermittlungsansätze, weil man eben nicht nachvollziehen konnte, wer das gemacht hat.

(Zurufe  von  der  SPD  –  Dr. Konstantin  von Notz  [BÜNDNIS 90/DIE  GRÜNEN]:  Das sind ja schwerste Straftaten!)

Auch bei dem Enkeltrick, bei dem Banden meist ältere Menschen per Telefon auffordern, ihnen Geld zu geben oder zu überweisen, gibt es keine Möglichkeit, an die Täter heranzukommen.

(Christian Flisek [SPD]: Wir wollen das doch nur  bei  schwersten  Straftaten!  Was  soll  das denn? Unglaublich!)

Um auf die schwere Kriminalität zurückzukommen: Ich war Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss. Damals hätte uns so etwas wirklich weitergeholfen; es wäre zielführend  gewesen,  zu  wissen,  mit  wem  die Täter  in den  Monaten  vor  ihrem  Selbstmord  telefonierten  und Kontakt  hatten.  Das  hätte  uns  sofort  geholfen,  uns  ein besseres Bild zu machen, wie weit ihr Netzwerk reichte. Die  Diskussion  über  Kinderpornografie  habe  ich  auch noch  in  sehr  guter  Erinnerung.  Wir  haben  da  wirklich den strafrechtlichen Schutz erhöht. Aber man muss die Täter auch erst haben. Wenn man sie gar nicht ermitteln kann, dann nützt es nichts, dass die Strafe zwei oder drei Jahre gewesen wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie  bleiben  unbehelligt,  und  wer  an  dieser  Stelle  den Kampf  gegen  Kinderpornografie  ernst  nimmt,  muss auch da für die Vorratsdatenspeicherung sein. Ich bin sehr dankbar für den konstruktiven Ansatz des Kollegen  Lars  Klingbeil.  Es  ist  in  der Tat  eine Abwägung; aber den schmalen Grat, den die Urteile aus Karlsruhe und aus Brüssel uns lassen, den sollten wir gemeinsam  gehen  und  eine  entsprechende  verfassungsfeste Regelung erarbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)