Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Frau  Präsidentin!  Liebe  Kolleginnen  und  Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Das Urteil des Bundessozialgerichts aus dem letzten Jahr hat die Syndikusanwälte bei einem ausgesprochen sensiblen Thema, bei ihrer Altersversicherung, kalt erwischt. Es gibt zwar Bestandsschutz für die Tätigkeiten, die man schon ausübt, für die man befreit ist; aber in Zukunft ist jeder Wechsel mit dem Risiko verbunden, dass man vom Versorgungswerk in die Rentenversicherung wechseln muss. Das bedeutet erhebliche Einschnitte hinsichtlich des Status, den man  hat.  Man  muss  Wartezeiten  erfüllen,  man  verliert die Berufsunfähigkeitsversicherung, und eventuell reduziert sich die Höhe der Altersversicherung.

Kein Wunder also, dass die Betroffenen extrem verunsichert  sind.  Deshalb  darf  man  mit  diesem  Thema –  das möchte ich unterstreichen – nicht leichtfertig umgehen.  Man  darf  beim  Thema  Altersvorsorgeplanung nicht leichtfertig  all  das  über  Bord  werfen,  was  sich Menschen  aufgebaut  haben,  sondern  man  muss  besonders  auf  die  Lebensplanung  und  die  damit  verbundene Berufsplanung Rücksicht nehmen.

Das  Urteil  hat  aber  noch  weitere Auswirkungen.  Es belastet  die  Wirtschaft.  Wir  hören  aus  der  Wirtschaft, dass  sie  Schwierigkeiten  hat,  entsprechende  Stellen  zu besetzen, weil die Menschen nicht mehr bereit sind, die angestammten  Arbeitsplätze  aufzugeben.  Das  hemmt den  erwünschten  und  gewollten  Erfahrungsaustausch, den wir gerade zwischen Phasen der Tätigkeit in einer Kanzlei und Phasen der Tätigkeit in einem Unternehmen brauchen.

Dazu muss man wissen, dass durch die zunehmende Bedeutung von Corporate Governance den Unternehmen immer  mehr  Pflichten  auferlegt  werden.  Zum  Beispiel ist es erforderlich, dass es in Unternehmen unabhängige Juristen  als Ansprechpartner  gibt,  dass  diese  als  unabhängiges  Organ  der  Rechtspflege  tätig  sind  und  eben nicht nur als Angestellte. Durch ihre innere Unabhängigkeit haben die Anwälte in den Unternehmen ein besonderes Standing.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Syndikusanwälte  sind  das  rechtliche  Gewissen  der Unternehmen. Wir als Gesetzgeber sorgen dafür, dass sie weiterhin diese wichtige Rolle spielen. Wir treffen immer  wieder  neue  rechtliche  Entscheidungen,  durch  die den Unternehmen weitere Pflichten, zum Beispiel weitere Haftungsrisiken bis hin zu einer persönlichen Haftung, übertragen werden. In der Beratung befinden sich beispielsweise  neue  Tatbestände  im  Korruptionsrecht. Im Ministerium berät man sogar ein Unternehmensstrafrecht. Da ist es doch klar, dass es für die Unternehmen immer wichtiger wird, sich Rechtsrat einzuholen. Zu  einer  anderen Vorgabe. Auch  die  Partnerschaftsgesellschaften  haben  als  Leitbild  vor Augen,  dass  sich Juristen  und  Spezialisten  zusammentun  und  wiederum weitere Kollegen anstellen. Das ist auch auf angestellte Anwälte gemünzt. Wir dürfen das Leitbild des Anwaltsberufs  nicht  mehr  ausschließlich  am  forensisch  tätigen Anwalt  ausrichten,  der  Generalist  ist  und  alles  macht, sondern wir müssen den Beruf des angestellten Anwalts in  die  neue  Berufsordnung  übernehmen. Wir  brauchen eine stringente Politik, die diese Entwicklung nachzeichnet. Wir wollen nicht – gewollt oder ungewollt –, dass den Menschen durch die Änderungen bei der Altersvorsorge der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Ich  möchte  daran  erinnern: Als  es  darum  ging,  die Rentenversicherung zu gründen, hat man die freien Berufe  explizit  außen  vor  gelassen.  Es  ist  nicht  etwa  so, dass sich die freien Berufe der Solidarität entzogen haben.  Damals  wurde  die  Entscheidung  getroffen,  die freien Berufe nicht in das gesetzliche System, das auch steuerfinanzierte  Anteile  hat,  aufzunehmen.  Vielmehr sollten  sie  sich  in  eigenen  Versorgungswerken  zusammenschließen  und  sich  so  um  ihre  Altersversicherung kümmern. Erst daraufhin wurden die Versorgungswerke gegründet. Das muss man immer wieder im Blick haben, wenn man meint, man müsse die freien Berufe in eine Bürgerversicherung integrieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich füge ausdrücklich hinzu: Wir wollen das auch für die  anderen  freien  Berufe  regeln,  für  die  es  entsprechende Regelungen gibt. Auch hier ist die Altersversorgung möglicherweise infrage gestellt. Das ist eine existenzielle Frage, die eben nicht nur Anwälte betrifft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir  haben  jetzt  einen  Gesetzentwurf  vorgelegt,  der anders als seine Vorläufer auch diese Fragen vernünftig in dem angesprochenen Sinne löst. Für uns ist klar, dass die Frage, wer die Tätigkeit eines Syndikus mit all den damit  verbundenen  Anforderungen,  auch  mit  der  notwendigen Unabhängigkeit, erfüllt, nur beurteilt werden kann von der Anwaltskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die – davon können wir ausgehen – da nicht nach Gusto verfährt, sondern sich an das hält, was im Berufsrecht festgelegt ist.

Es  ist  wichtig,  noch  einmal  zu  unterstreichen,  dass sich  die  Regelung  am  Status  quo  ante  orientiert.  Wir wollen die Regelung, die vorher in der Praxis gegolten hat, im Wesentlichen materiell wiederherstellen. Das ist allerdings kein ganz banales Unterfangen. Das hätte es sein können, wenn man sich an § 6 SGB VI herangewagt hätte. Dafür gab es aber keine Mehrheit. Deshalb müssen wir hier über das Berufsrecht gehen.

(Beifall  bei  Abgeordneten  der  CDU/CSU  – Dr. Jan-Marco  Luczak  [CDU/CSU]:  Sehr  bedauerlich!)

Jetzt liegt ein Entwurf vor, mit dem man gut arbeiten kann. Es gibt aber noch einige Fragen und Sorgen: Es ist klar, dass die neu formulierten Kriterien für den Syndikus in der Praxis nicht zu substanziellen Einschränkungen  des  Tätigkeitsbereichs  führen  dürfen.  Wir  müssen klären, wie das Merkmal der Vertretungsbefugnis ausgelegt werden muss. Kaum ein Syndikus ist forensisch tätig; das darf also nicht der Maßstab sein, sonst wäre das ein Ausschlusskriterium. Wir müssen klären, was es mit der doppelten Pflichtmitgliedschaft in Kammer und Versorgungswerk auf sich hat. Da darf nicht die Regelung, dass  die  Rechtsanwaltskammer  verbindlich  Vorgaben macht,  auf  anderem  Wege  wieder  aufgehoben  werden.

Wir  müssen  die  Frage  der  Haftpflichtversicherung  regeln; das hat mein Kollege schon ausgeführt. Wir müssen uns auch noch einmal anschauen, welche Anforderungen an die fachliche Unabhängigkeit zu stellen sind. Es besteht natürlich im Arbeitsverhältnis ein Spannungsverhältnis zwischen den Vorgaben des Arbeitgebers einerseits und der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts andererseits.  Aber  ich  denke,  Maßstab  ist  auch  da  der selbstständige,  niedergelassene  Rechtsanwalt:  Auch  er kann von seinem Mandaten entlassen werden, auch ihm können von seinem Mandanten Vorgaben gemacht werden. Wenn wir das als Maßstab für Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis nehmen und nicht darüber hinausgehen,
dann wird das ein gutes Gesetz.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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