Bürgeranfrage zum Thema: Streichung § 218 StGB - Regelung zum Schwangerschaftsabbruch

Mich erreichen in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Zuschriften rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch, ein Teil unterstützt meine Haltung zur aktuellen Regelung zu §218ff. StGB ein Teil lehnt diese ab. Hier meine Antwort auf ein kritisches Schreiben:

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vielen Dank für Ihre Nachricht. Wie Sie meinen öffentlichen Äußerungen entnehmen können, halte ich es für richtig, an der bestehenden Rechtslage festzuhalten. Sie stellt einen guten Kompromiss zwischen den extremen Positionen dar und nimmt sowohl die Sichtweise und berechtigte Interessen der Schwangeren, als auch das Lebensrecht des Ungeborenen und seinen Schutz ernst. Auch dem ungeborenen Kind kommen von Anfang an Menschenwürde und Grundrechte zu - so formuliert es das Bundesverfassungsgericht, das deshalb auch ein wirksames Schutzkonzept zugunsten des Kindes fordert. Dies ist auch die Position der CDU/CSU-Fraktion.

Ich teile nicht Ihre Auffassung, dass die geltende Rechtslage Frauen "kriminalisiere" und "stigmatisiere" oder Abbrüche "tabuisiere". Insbesondere ist dem gängigen und auch von der Kommission genutztem Narrativ zu widersprechen, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland "grundsätzlich strafbar" seien und nur "unter bestimmten Bedingungen" davon ausgenommen würden. Bitte schauen Sie sich § 218a StGB an mit der Überschrift "Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs". Hier heißt es ausdrücklich: "Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn die Schwangere den SSA verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 S. 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, der SSA von einem Arzt vorgenommen wird und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind." Dieser Fall wird auf diese Weise explizit aus der Anwendung des Strafrechts herausgenommen. Hiermit bringt der Gesetzgeber bereits heute zum Ausdruck, dass er die verantwortliche Entscheidung der Schwangeren unter der Voraussetzung (1.) Beratung, (2.) Wartefrist und (3.) innerhalb der 12 Wochen respektiert und sie gerade nicht mit dem Strafrecht konfrontieren will. Nach dieser klaren Regelung werden jedes Jahr über 100.000 SSA durchgeführt. "Kriminalisiert" durch Ermittlungen, Strafverfahren oder gar Verurteilung wird jedoch keine Frau, kein Arzt/keine Ärztin, weil diese einfachen Voraussetzungen von den Schwangeren und sowie Ärzten und Ärztinnen durchweg offenbar eingehalten werden können. Weitere Ausnahmen des § 218a StGB betreffen den SSA bei Gefahr für Leben und Gesundheit der Schwangeren und bei einer Verursachung der Schwangerschaft durch eine Sexualstraftat; in diesen Fällen ist der SSA sogar gerechtfertigt und über die Krankenkasse zu finanzieren.
Die Bundesländer sind dafür verantwortlich, dass Beratungsstellen vorhanden sind und auch eine ausreichende medizinischen Versorgung für die Durchführung von SSA gewährleistet ist.

Gleichzeitig sichert die Regelung ab, dass in der Beratung das Lebensrecht des Kindes zur Sprache kommt, dass rechtliche Fragen, Unterstützungsangebote und Alternativen zu einem SSA besprochen werden können, die die Schwangere zur Entscheidung für das Kind ermutigen könnten. Die verpflichtende Beratung ist der Kern des Schutzkonzepts, das das Bundesverfassungsgericht zugunsten des Ungeborenen fordert. Sie wird ergänzt um die dreitägige Wartefrist, die vor übereilten Entscheidungen schützen soll. Die Regelung stärkt Schwangere auch gegenüber Einflüssen Dritter, die die Schwangere zum SSA überreden wollen, wie beispielsweise der Partner, der Unterhaltsverpflichtungen fürchtet. Sie trägt so zu einer möglichst unabhängigen, gut informierten Entscheidung bei. Ich erkenne hier nichts Stigmatisierendes oder Tabuisierendes.

Diese Regelung, die einen Kompromiss zwischen den sonst unvereinbaren Grundrechten der Schwangeren auf Handlungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit einerseits und dem Recht auf Leben des ungeborenen Kindes andererseits darstellt, ist nach einer intensiven gesellschaftlichen Debatte und zwei sehr grundsätzlichen und wegweisenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes beschlossen worden und verfassungsrechtlich nicht beliebig veränderbar.

Die von der Regierung freihändig eingesetzte Kommission möchte nun den Weg frei machen für weitergehende Forderungen, die den verbliebenen Schutz des Ungeborenen allerdings völlig aufheben würden und deshalb mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts m.E. nicht vereinbar wären. Sie stellt die Rechte des Ungeborenen in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft in Abrede, um daraus dann folgern zu können, dass auf ein Schutzkonzept mitsamt Beratungspflicht und strafrechtlicher Absicherung verzichtet werden könne. Das ist aus meiner Sicht weder juristisch noch medizinisch überzeugend, da neuere Erkenntnisse eher belegen, dass die Entwicklung des Ungeborenen von Anfang an kontinuierlich verläuft und sich schon in den ersten Tagen und Wochen komplexe Strukturen und Organe bilden. Das Ungeborene entwickelt sich - so bringt es das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck - von Anfang an "als Mensch, nicht zum Menschen" und hat deshalb von Anfang an Grundrechte, die auch die Kommission nicht negieren kann.

Es gibt auch keinen validen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Versorgungslage und der Ausgestaltung von Paragraph 218 StGB. Selbst die Kommission hält die Datenlage für zu dürftig. Es liegen keine konkreten Zahlen zu durchführenden Praxen oder Krankenhäusern vor in Deutschland, sondern nur zu Meldestellen, hinter denen sich auch mehrere Praxen verbergen können. Die leicht ansteigend hohe Zahl an Abbrüchen pro Jahr spricht ebenfalls gegen eine Verschlechterung der Versorgungslage. Mir sind keine Fälle bekannt, in denen ein SSA an der fehlenden Information oder Unerreichbarkeit einer durchführenden Praxis gescheitert wäre. Unabhängig davon ist richtig, dass ein ausreichendes Angebot an durchführenden Praxen gewährleistet sein muss. Dafür müssen die Bundesländer sorgen. Hier gegebenenfalls nachzubessern hat aber nichts mit der Ausgestaltung von §§ 218 ff StGB zu tun.

Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie andeuten, dass es in der langen Geschichte von § 218 StGB viele falsche Gründe der Regulierung gab: patriarchale Rollenzuschreibungen, Bevölkerungspolitik, "Volksgesundheit" und Rassenideologie. In einer Zeit von wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit vieler Frauen und ohne Zugang zu sicherer Verhütung trugen allein die Frauen das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft sowie moralischer Ausgrenzung, Gesundheitsschäden und strafrechtlicher Verfolgung. Zu Recht haben viele Frauen hiergegen gekämpft. Die heutige Fassung von § 218 StGB zusammen mit § 218a StGB hat mit diesem früheren Regelungsinhalt allerdings nichts mehr zu tun. Es geht heute zu Recht nur noch um den Konflikt zwischen der Selbstbestimmung der Frau und dem Lebensrecht des Ungeborenen, der letztlich in eigener Verantwortung der Schwangeren gelöst werden muss.

Ich werde in diesem Sinne weiter dafür werben, unseren guten und funktionieren Kompromiss beizubehalten, der gesellschaftliche Konflikte, Zuspitzungen und Radikalisierungen wie beispielsweise in den USA oder in Polen verhindern konnte.

Mit freundlichen Grüßen

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