Frage: Wie stehen Sie zur Impfpflicht? Aktuell lassen Daten der BKK Provita auf eine höhere als bisher angenommen Zahl an schweren Impfnebenwirkungen schließen.
Antwort: Die Frage einer allgemeinen Impfpflicht wird im Bundestag derzeit kontrovers erörtert. Die neue Regierung und die sie tragenden Fraktionen im Bundestag sind weiterhin nicht zu einem einheitlichen Vorgehen in der Lage und erarbeiten stattdessen unterschiedliche Anträge aus den Reihen der Abgeordneten. Die Unionsfraktion hat demgegenüber einen eigenen konsistenten Vorschlag erarbeitet, der uns im Falle einer erneuten Coronawelle mit schweren Verläufen wie zuletzt bei der Delta-Mutation des Coronavirus die notwendigen Mittel in die Hand gibt, schnell zu reagieren. Aus Sicht der Fraktion sind dafür ein Impfregister, die Intensivierung der Impfkampagne und ein gestufter Impfmechanismus nötig. Ohne diese Vorbereitungen erscheint eine allgemeine Impfpflicht nicht umsetzbar. Ohnehin ist es für den Schutz vor der aktuellen Viruswelle zu spät.
In ihrem Konzept definiert die Unionsfraktion unter welchen Voraussetzungen ein Impfmechanismus in Kraft gesetzt werden könnte. Das hängt davon ab, wie gefährlich eine neue Virusvariante ist: wie schnell sie sich überträgt, wie schwer die Erkrankung ist, die sie auslöst, ob ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht und wie hoch die Impfquote dann ist. Geimpft werden könnte nach einem Stufenmodell: zunächst die besonders gefährdete Gruppe der über 60-Jährigen, dann die über 50-Jährigen, die Beschäftigten in Schulen, Kitas, den Einrichtungen der kritischen Infrastruktur sowie der Polizei. Mit einem einfachen Bundestagsbeschluss kann der Mechanismus schnell aktiviert werden, sollte die Corona-Lage es etwa im nächsten Herbst oder Winter erfordern.
Grundlegend für den gegenwärtigen Kampf gegen Corona ist eine ausreichende Datenbasis in Form eines Impfregisters. Es gibt Auskunft darüber, wer geimpft ist und wer nicht. Auf diese Weise können Menschen rechtzeitig über notwendige Impfungen oder Auffrischungen informiert und beraten werden. Das Register erlaubt Vorhersagen über eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems und hilft bei der Ermittlung von Impfpassfälschungen.
Ich habe Verständnis, wenn Menschen zunächst die Erfahrungen der anderen mit der Impfung beobachten und sich gründlich informieren wollen. Inzwischen sehen wir klarer. Alle Bürgerinnen und Bürger, die sich geimpft haben, waren deutlich besser vor schweren Verläufen etwa der Delta-Variante geschützt und haben einen wesentlichen besseren Schutz gehabt sich überhaupt anzustecken. Außerdem haben sie dazu beigetragen, dass unserer Intensivmedizin nicht überlastet wurde. Die Omikron-Variante ist im Verlauf nun glücklicherweise insgesamt deutlich milder und infiziert auch in hohem Maße Geimpfte, weshalb die Fallzahlen extrem angestiegen sind, ohne die Krankenhäuser zu überlasten. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit schwer zu erkranken über alle Altersgruppen hinweg deutlich höher ohne Impfung als mit Impfung: Nach aktuellen Zahlen liegt etwa die Hospitalisierungsquote bei Ungeimpften gegenüber doppelt Geimpften in der Altersgruppe 18-59 bei etwa 3,7 zu 1,3; in der Altersgruppe über 60 noch deutlicher bei etwa 21,0 zu 4,9. Bei den geboosterten Personen ist die Inzidenz nochmals niedriger (RKI, 03.03.2022).
Demgegenüber stehen schwere Impfschäden von 0,02 Prozent. Das entspricht einem Fall bei 5.000 Impfungen. Das Risiko durch Omikron eine schwere Coronainfektion zu erleiden ist weiterhin wesentlich höher. Das heißt eine Impfung schützt weiterhin. Sollten individuelle medizinische Indikatoren gegen eine Impfung sprechen, sollte sich diejenigen Menschen nicht impfen (müssen).
Zu dieser Quote der schweren Impfschäden hat die BKK Provita Fragen aufgeworfen, denen zügig nachgegangen werden muss; das geschieht auch gerade. Als erstes muss geklärt werden, ob bzw. inwieweit die Zahlen des Paul-Ehrlich-Institutes und die der BKK Provita vergleichbar sind. Hier könnte eine plausible Erklärung sein, dass die BKK Provita Daten über gängige Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle und vorübergehende Kopfschmerzen oder Erschöpfung mitgezählt hat, die nicht an das PEI gemeldet wurden und auch nicht meldepflichtig sind. Dem PEI müssen nur ernste Nebenwirkungen gemeldet werden, die über solche üblichen Impfreaktionen hinausgehen. Das könnten den Unterschied der Zahlen ausmachen; aber auch sonstige Ungenauigkeiten des Meldesystems müssen in Betracht gezogen werden.
Dem muss unvoreingenommen nachgegangen werden. Allerdings braucht es sicher noch etwas Zeit, die Vorgänge aufzuklären und die jeweils registrierten Fälle zu vergleichen. Ergänzend können die Daten anderer Krankenkassen herangezogen werden, um der Ursache für die divergierenden Zahlen auf den Grund zu gehen.
Wir haben alle ein Interesse daran, ein verlässliches, faktenbasiertes Bild von den möglichen Nebenwirkungen der verschiedenen Impfstoffe zu haben, damit weitere Entscheidungen auf dieser Grundlage getroffen werden können.
Wir sollten uns vorrangig darauf konzentrieren für die möglichen kommenden Wellen gewappnet zu sein. Eine Bedrohung stellen insbesondere neue Virusvarianten dar. Diese könnten das Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur erneut erheblich belasten. Die Union hat mit dem Antrag „Impfvorsorgegesetz – ein guter Schutz für unser Land“ dazu einen wichtigen Anstoß gegeben. Eine Impfpflicht in der aktuellen Situation halte ich nicht für zielführend und angemessen, dass kann sich aber im Verlauf der Pandemie ändern.
Ich gebe bisher die Hoffnung nicht auf, dass auch die nicht geimpften Menschen in unserem Land, bei denen aus gesundheitlichen Gründen nichts gegen eine Impfung spricht, sich noch überzeugen lassen. Möglicherweise kann hier demnächst auch der neue Impfstoff Novavax helfen. Immer noch halte ich eine Impfung für eine gute Vorsorge vor schweren Erkrankungen.