Das geltende Wahlrecht führt immer dann zu Überhang- und Ausgleichsmandaten, wenn eine Partei viele gute Kandidaten aufstellt, deshalb mit der Erststimme viele Wahlkreise gewinnt, insgesamt aber nicht entsprechend viele Zweitstimmen bekommt. So entstehen "Überhangmandate", für die die anderen Parteien dann "Ausgleichsmandate" bekommen, damit im Bundestag die Stärke und Gewichtung der Fraktionen wieder stimmt. Dieser Effekt wird umso stärker, je mehr Parteien im Bundestag vertreten sind. Früher fiel das nicht so ins Gewicht, weil Überhangmandate nicht ausgeglichen wurden und auch weniger Parteien im Bundestag waren.
Eine Reduzierung der derzeit 299 Wahlkreise in Deutschland könnte den Effekt vermindern. Die Nebenwirkung wäre aber, dass die einzelnen Abgeordneten für noch größere Wahlkreise zuständig und weniger vor Ort wären. Mein Wahlkreis reicht bereits jetzt von Niederkassel bis an die Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz. In Mecklenburg-Vorpommern bestehen jetzt schon Wahlkreise, die größer sind, als das Saarland. Bei noch weiterer Ausdehnung würden die Bürger ihre Wahlkreis-Abgeordneten also (noch) weniger erleben und unmittelbar ansprechen können. Dafür zu plädieren fällt natürlich den Parteien leichter, die ohnehin kaum Direktmandate bekommen, sondern ihre Abgeordneten über die Partei-Liste in den Bundestag schicken. In der Union halten wir diesen unmittelbaren Kontakt allerdings für wichtig. Mit einer maßvollen Reduzierung der Wahlkreise wären wir allerdings einverstanden.
Deshalb haben wir im letzten Jahr eine Reform des Wahlrechts in mehreren Schritten beschlossen. Wir halten am System der personalisierten Verhältniswahl und an dem mit der Wahlrechtsänderung von 2013 eingeführten Ausgleich von Überhangmandaten fest. Bis zu drei Überhangmandate werden nicht ausgeglichen. Ab dem 1. Januar 2024, also mit Wirkung für die übernächste Bundestagswahl, wird zusätzlich die Zahl der Wahlkreise von 299 auf künftig 280 reduziert. Außerdem wird eine Reformkommission eingesetzt, die weitere Empfehlungen erarbeiten soll.
Freundliche Grüße
Elisabeth Winkelmeier-Becker