Die Abstimmung im Deutschen Bundestag über das dritte Hilfspaket für Griechenland hat nicht nur mich, sondern auch viele Bürger sehr bewegt und beschäftigt. In zahlreichen Zuschriften wurde ich aufgefordert, mit „Nein“ zu stimmen, es gab aber auch viel Zuspruch für die europäische Solidarität. Warum ich nach intensiven Abwägungen mit „Ja“ gestimmt habe, stelle ich hier kurz dar.
Die griechische Regierung hat es auch mir nicht leicht gemacht, Vertrauen in ihre Reformbereitschaft und -Fähigkeit aufzubringen. In den letzten Wochen ist jedoch eine Wende in Athen zu erkennen. Die Einsicht ist da, dass es nur mit einschneidenden Reformen gehen wird. Das sieht auch der Bundesfinanzminister so, der sich wahrlich nicht dem Vorwurf ausgesetzt hat, der griechischen Seite irgendwelche Vorschuss-Lorbeeren zukommen zu lassen. Herr Dr. Schäuble konstatiert nunmehr der Regierung und dem Parlament in Athen die notwendige Kooperationsbereitschaft.
Erlauben Sie mir einen Vergleich aus dem täglichen Leben, den ich in diesem Fall für passend halte: Es soll ja Familien geben, wo sich manche Sprösslinge richtig daneben benehmen und statt die Regeln derer zu beachten, unter deren Tische sie die Füße setzen, ihre Füße auf ebendiese Tische legen. Was macht da die Familie? Wann wird ein Mitglied ausgestoßen, sich selber überlassen?
Wo Einsicht zu erkennen ist und der Wille, sich in die Gemeinschaft einzufügen, da darf auch die europäische Familie nicht einfach eines ihrer Mitglieder abschreiben. Jetzt, da selbst Präsident Tsipras, der ursprünglich mit ganz anderen Versprechungen angetreten ist, den Weg der Reformen mitträgt, sehe ich einen Weg, den Griechenland und die anderen EU-Länder gemeinsam gehen können.
Ich bin überzeugt, dass die Reformen schnell greifen werden, vielleicht nicht sofort in puncto Steuereinnahmen, aber in Bezug auf mehr Rechtmäßigkeit und damit auch Gerechtigkeit der Verwaltung, Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung und auch in Bezug auf eine bessere Politik ohne Rücksicht auf die eigene Klientel. Die Vereinbarung mit Griechenland spricht diese Punkte recht offen an.
Es ging bei unserem „Ja“ zum dritten Hilfspaket aber nicht nur um Griechenland. Die Verweigerung weiterer Hilfen hätte das deutsch-französische Verhältnis und damit die Europäische Union extrem belastet. Deutschland wäre für die Zukunft in einem möglichen Konflikt in Gefahr geraten, ohne gewichtige Verbündete isoliert zu werden. Der Schaden wäre weitaus größer, als das, was im Zuge der weiteren Hilfe für Griechenland auf dem Spiel steht. Ich habe mich mit meinem „Ja“ nicht nur dafür entschieden, Griechenland noch eine Chance auf den Verbleib im Euro und eine gute Zukunft zu geben, sondern ich habe mich gleichzeitig für das große Ganze eines Europas entschieden, dessen Zusammenhalt in Zukunft immer wichtiger wird.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker