Insbesondere in der Pandemie sind die strukturellen Herausforderungen im Bereich Pflege einmal mehr deutlich geworden. Pflegerinnen und Pfleger haben in dieser Zeit viel für unser Land und unsere Bürger geleistet. Der im letzten Jahr vom Bundestag beschlossene Pflegebonus war eine wichtige, aber doch einmalige Anerkennung für diese wichtige Arbeit. In unserem immer älter werdenden Land gibt es weiteren Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen für Pflegekräfte, aber auch bei den zu Pflegenden und ihren Familien.
In dieser Woche hat das Bundesgesundheitsministerium ein Maßnahmenpaket für gesetzliche Änderungen im Bereich Pflege beschlossen. Hier Informationen zu den einzelnen Reformschritten:
Verbindliche Bezahlung nach Tarif in der ambulanten und stationären Pflege
Die Attraktivität der Arbeit in der Pflege wird nicht nur, aber auch von der Höhe der Entlohnung bestimmt. Es ist gesellschaftlicher Konsens, dass die Bezahlung in der Pflege verbessert werden muss. Daher werden ab dem 1. September 2022 Pflegeeinrichtungen nur zur Versorgung zugelassen und erhalten ihre gezahlten Löhne refinanziert, wenn ihre Pflege- und Betreuungskräfte aufgrund eigener tariflicher oder kirchenarbeitsrechtlicher Regelungen oder mindestens in Höhe eines Tarifvertrags oder einer kirchenarbeitsrechtlichen Regelung entlohnt werden. Einrichtungen, die selbst nicht tarif- oder kirchenarbeitsrechtlich gebunden sind, erhalten eine Refinanzierung ihrer gezahlten Löhne bis zur Höhe von 10 Prozent über dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne. Zur Umsetzung erhalten die Pflegekassen erweiterte Nachweisrechte.
Bessere Versorgung durch mehr Personal in der stationären Pflege
Aus dem wissenschaftlich entwickelten, einheitlichen Personalbemessungsverfahren im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege hat sich ergeben, dass zukünftig mehr Pflegefachpersonen und insbesondere mehr Pflegehelferinnen und Pflegehelfer benötigt werden. Einen ersten, daran anknüpfenden Schritt sind wir durch gesetzliche Änderungen bereits gegangen: Seit dem 1. Januar 2020 können die Pflegeheime bis zu 20.000 zusätzliche Pflegehilfskräfte einstellen.
Diesen Weg wollen wir jetzt systematisch weitergehen: Ab dem 1. Juli 2023 werden bundeseinheitliche Personalanhaltswerte eingeführt, die die personellen Ausstattung der Heime verbessern sollen. Dieser Prozess wird durch eine umfassende wissenschaftliche Evaluation und Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung begleitet. Im Jahr 2025 prüft die Bundesregierung, ob auf Basis der dann vorliegenden Erkenntnisse weitere Änderungen der Personalanhalts-werte erfolgen müssen.
Kompetenzen der Pflegefachkräfte stärken und so die pflegerische Versorgung verbessern
Die pflegerische Versorgung gewinnt an Qualität, wenn alle Beteiligten entsprechend ihrer fachlichen Kompetenzen verantwortungsvoll zusammenwirken. Pflegefachkräfte sollen bestimmte Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel verordnen dürfen sowie Verordnungskompetenzen für geeignete Leistungsbereiche in der häuslichen Krankenpflege erhalten.
Zudem soll die in Modellvorhaben erprobte Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachpersonen in der Breite umgesetzt werden. Pflegefachkräfte erhalten damit mehr Entscheidungsbefugnisse – das ist auch ein Ausdruck unseres Vertrauens in ihre Kompetenz.
Entlastung der Pflegebedürftigen: Zielgenaue Begrenzung der Eigenanteile im Pflegeheim und Anhebung der ambulanten Sachleistungsbeträge
All diese Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Arbeit in der Pflege führen zu höheren Kosten, die die Pflegebedürftigen nicht überfordern dürfen und daher nicht alleine tragen sollen. Daher soll die Pflegeversicherung in der stationären Pflege künftig einen gestaffelten Zuschlag zu den Pflegekosten tragen, der mit der Dauer der Pflege ansteigt. Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse 5 Prozent des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent.
Damit entlasten wir die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen spürbar – z. B. nach mehr als 24 Monaten Pflege um durchschnittlich rund 410 Euro im Monat, nach mehr als 36 Monaten Pflege sogar um rund 638 Euro im Monat. Dies entlastet vor allem die Familien, die durch eine länger andauernde Pflegebedürftigkeit im Pflegeheim – etwa bei Demenz – ganz besonders belastet sind. Kaum eine Familie kann diese finanzielle Belastung über viele Jahre tragen. In der ambulanten Pflege erhöhen wir zudem die Sachleistungsbeträge um 5 Prozent, um auch dort der steigenden Vergütung Rechnung zu tragen.
Stärkung der Kurzzeitpflege und der Anschlussversorgung nach Krankenhausbehandlung
Die Kurzzeitpflege stellt eine wichtige Leistung der Pflegeversicherung dar, mit ihr wird der höhere pflegerische Versorgungsbedarf z. B. unmittelbar nach einer Krankenhausbehandlung adressiert. Ein Entschließungsantrag von CDU/CSU- und SPD-Bundestagsfraktion in dieser Legislaturperiode hat den Handlungsbedarf herausgestellt, der im Hinblick auf die Kurzzeitpflege besteht. Denn oft sehen sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mit einem unzureichenden Angebot konfrontiert.
Um das zu ändern, soll die Kurzzeitpflege durch eine verbindliche Vorgabe an die Selbstverwaltung gestärkt werden, künftig die Besonderheiten dieser Versorgungsform in Vergütungsvereinbarungen besser zu berücksichtigen. Das ermöglicht eine wirtschaftlich tragfähige Vergütung und setzt Anreize für die Träger, mehr Kurzzeitpflegeplätze zu schaffen. Um zu verhindern, dass dies zu höheren finanziellen Belastungen der Betroffenen führt, wird gleichzeitig der entsprechende Leistungsbetrag der Pflegeversicherung um 10 Prozent deutlich angehoben.
In der stationären Akutversorgung soll zudem ein neuer Anspruch auf eine bis zu zehntägige Übergangspflege für den Fall eingeführt werden, dass eine an die Krankenhausversorgung anschließende Versorgung und Pflege in der eigenen Häuslichkeit oder z. B. in einer Kurzzeitpflege nicht sichergestellt werden kann.
Gesicherte Finanzierung
Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ausgewogen und sicher finanziert. Dafür wird zum einen der finanzielle Spielraum gezielt genutzt, der entsteht, indem wir einen Teil der vorgesehenen und bereits im Finanzplan berücksichtigten Dynamisierung zielgerichteter zur Begrenzung der Eigenanteile nutzen. Zum anderen soll erstmalig ab dem Jahr 2022 ein pauschaler Bundeszuschuss in Höhe von jährlich einer Milliarde Euro an die Pflegeversicherung gezahlt werden. Mit einer maßvollen Anhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte wird der relative Abstand wiederhergestellt, den der allgemeine Beitragssatz und der durch den Beitragszuschlag erhöhte Beitrag für Kinderlose zum Zeitpunkt seiner Einführung hatten. Hierdurch erhält die Pflegeversicherung zusätzlich 400 Mio. Euro/Jahr.