In der aktuellen Ausgabe von „Das Parlament“ äußere ich mich über die Reform des Sexualstrafrechts und warum wir für den Grunsatz „Nein heißt Nein“ einstehen. http://www.das-parlament.de/2016/18_19/menschen_und_meinungen/-/421166 Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) fordert, tätliche sexuelle Übergriffe unter Strafe zu stellen Bisher führt eine Vergewaltigung oft zu keiner Verurteilung oder gar nicht erst zu einem Prozess, weil die gesetzlichen Merkmale einer Straftat nicht erfüllt waren. Welche Fälle sind das? Es geht hier um Konstellationen, in denen keine Gegenwehr geleistet wurde und auch das weitere Merkmal der schutzlosen Lage nicht erfüllt wird. Etwa wenn das Opfer aus Rücksicht auf schlafende Kinder auf Gegenwehr verzichtet oder einfach aus Angst davor, was passiert, wenn man sich wehrt. Dadurch, dass all diese Fälle die jetzigen Voraussetzungen nicht erfüllen, sind die Übergriffe, auch wenn sie gegen den erklärten Willen des Opfers passieren, keine strafbare Vergewaltigung. Eigentlich konterkariert das die Ziele der letzten großen Reform 1997, die ja gerade die Vergewaltigung in der Ehe anderen Fällen gleichstellte. Wenn dann aber die Tatbestandsmerkmale so gefasst sind, dass sie typische Konstellationen einer Vergewaltigung in der Ehe nicht erfassen, ist das damalige Ziel der Reform nicht erreicht worden. Die Reform des Vergewaltigungs-Paragrafen soll solche Strafbarkeitslücken schließen. Wie soll das geschehen? Da gibt es zwei Herangehensweisen. Die eine ist, typische Konstellationen, in denen strafwürdige Übergriffe gegen oder ohne den Willen des Opfers erfolgen, gezielt zu erfassen. Das ist die Herangehensweise des Regierungsentwurfs. Er erfasst vor allem die Situationen, in denen der Übergriff so überraschend erfolgt, das das Opfer gar keinen entgegenstehenden Willen bilden konnte, oder sich das Opfer nicht wehrt, weil es ein Übel befürchtet, wenn es dem Willen des Täters nicht nachgibt. Zudem schließt der Entwurf eine Lücke beim Schutz von Menschen, die sich aufgrund einer Behinderung nicht wehren können. Hier ist bisher die Strafandrohung deutlich niedriger als bei der Vergewaltigung anderer Personen. Dass das jetzt gleichgestellt wird, war längst überfällig. Im Gesetzentwurf der Linken steht, dass alles strafbar ist, was "gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person" geschieht. Das ist der zweite Ansatz, Strafbarkeitslücken zu schließen. Es ist ganz klar, dass in keiner Situation ein Mensch berechtigt ist, sich über den erklärten Willen des anderen hinwegzusetzen und ihn zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Die Aufgabe ist nun, zu prüfen, wie wir das am besten ins Strafrecht übertragen. Zudem gilt es, der Istanbul-Konvention zu genügen, die von uns verlangt, jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen. Ich denke, dass wir hier offen in die parlamentarischen Beratungen einsteigen müssen. Einige Frauenorganisationen beklagen, dass mit der Formulierung im Regierungsentwurf noch längst nicht alle Schutzlücken geschlossen würden. Haben Sie da auch Ihre Zweifel? Ich erlebe, dass der Grundsatz "Nein heißt Nein" keine Einschränkung verträgt, auch nicht im Strafrecht. Dafür spricht die Funktion des Strafrechts, klarzumachen, wo eine strafwürdige Handlung gesehen wird, und zwar so, dass es auch verstanden wird. Allerdings gibt es auch für die andere Herangehensweise durchaus fachliche Gründe. Aus der Rechtspraxis wird gesagt, dass man Anknüpfungspunkte braucht wie den des befürchteten Übels und der überraschenden Situation, um ein strafbares Verhalten des Täters…